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Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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Aber seitdem schotte er sich ab. Wenn man bei ihm anruft, geht seine Frau an den Apparat. Sie sagt immer, Laner sei nicht zu Hause. Gasser: Aha. Gasser hörte weiter zu, allerdings mit einer gewissen Ungeduld, ohne sich tatsächlich für das zu interessieren, was der andere Klausner erzählte. Das stand alles bereits tausendfach in der Zeitung, sagte Paolucci, und in der RAI habe ich ihn neulich auch gesehen, da hat er das unschuldigeJustizopfer gegeben. Ich begreife nicht, daß solche Leute wie Laner nicht einmal drei Wochen ins Gefängnis müssen. Nicht einmal für drei Wochen. Verurteilt ist er für eineinhalb Jahre, aber nach drei Wochen gerichtlicher Untersuchung ist er wieder draußen. Und was hört man jetzt alles! Seine Frau und sein Bruder, heißt es, haben die ganze Zeit zu ihm gehalten, die ganzen schweren drei Wochen . Man hat also auch noch Mitleid mit ihnen! Erst gestern habe ich hier beim Nussbaumer über den Laner reden hören. Eine Sünde sei es, was dem armen Mann und seiner Familie passiert sei, haben die gesagt. Das sei ein Zugeständnis an die Roten gewesen, ein politischer Prozeß sei es gewesen. So reden sie über den Laner: Der Laner ist doch einer von uns . Diesen Satz habe man schon zur Zeit des Prozesses überall gehört, im ganzen Eisacktal. Der Laner ist einer von uns, er ist immer einer von uns gewesen, sagen sie, und wegen nichts und wieder nichts wird ihm der Prozeß gemacht. Gasser trat von einem Fuß auf den anderen. Er konnte nicht begreifen, was Paolucci an dieser ganzen Angelegenheit interessierte, er verstand ihn genau genommen nicht einmal. Er hatte nur eine Erinnerung in sich, eine Erinnerung an eine ganz bestimmte Form des Denkens, die Paolucci offenbar ganz einfach weiterhin praktizierte, obgleich sie einem doch, wie Gasser meinte, unter den Händen zerfallen mußte, diese Form des Denkens, wie zu Staub. Ja, das ist Südtirol, sagte Paolucci. (Er schien fast begeistert.) Unser Land ist ein winzig kleines Klitschentheater, die Weltbekommt davon freilich nichts mit. Unter diesem Mäntelchen können die Südtiroler tun und lassen, was sie wollen. Alles ist in einer so offenbaren Weise verfilzt hier, man kann keinem Außenstehenden begreiflich machen, wie sehr offen zutage hier alles liegt. Jeder sieht es, jeder schweigt, alle konsentieren. Aber weißt du, wenn fünfundneunzig Prozent der Südtiroler mit all dem, wie es ist, zufrieden sind und es gutheißen (denn sie heißen die Zustände ja gut, andere scheinen ihnen sogar unmöglich zu sein), dann muß man sich damit arrangieren. Das ist Demokratie. Man kann ja schließlich nicht mit dem Maschinengewehr herumlaufen und rufen, los, alle Idioten nach links und alle anderen nach rechts. Sofort bekäme man nämlich gewisse Fragen gestellt: Was genau man mit Idiot meine und welche Kriterien man dafür habe und wie es dazu komme, daß ausgerechnet man selbst diese Kriterien habe, und so weiter. Wer sei denn dieser man selbst, fragte Gasser. Er hatte eigentlich gar nicht mehr zugehört und war in seinen Gedanken eigenartigerweise genau daran hängen geblieben, wer dieser man selbst sei, von dem Paolucci gesprochen hatte. Wovon hatte Paolucci eben überhaupt gesprochen? Hatte er das Wort Maschinengewehr verwendet? Was für ein seltsamer Zufall, dachte sich Gasser, daß Paolucci hier ausgerechnet von einem Maschinengewehr zu sprechen beginnt, denn das sei doch keinesfalls naheliegend und von daher noch um so mehr als ein eigenartiger Zufall anzusehen. Was wolltest du vom Laner denn eigentlich wissen, fragte Gasser,um den vorigen Faden wiederaufzunehmen. Paolucci sei ja nun schon seit einigen Wochen hinter dieser Geschichte her, er, Gasser, habe anfänglich gar nicht begreifen können, was ihn, den Mailänder Journalisten, an der Kausa Laner so fessele. Nun, sagte Paolucci, was habe er ihn fragen wollen … er habe ihn zuerst nach seinen Haftumständen fragen wollen. Herr Laner, drei Wochen in Haft, wie muß man sich so etwas vorstellen etcetera . Gasser: Es waren nicht drei Wochen. Es waren zwei Wochen und fünf Tage. Paolucci: Darauf wäre er natürlich auch zu sprechen gekommen. Aber er hätte erst einmal ein paar unverfängliche Fragen gestellt, zum Beispiel: Herr Laner, haben Sie Briefe ins Gefängnis bekommen? Herr Laner, würden Sie unseren Lesern mitteilen, was in diesen Briefen gestanden hat? Herr Laner, haben Sie von den Lesermeinungen in der Tageszeitung zu Ihrem Fall Kenntnis genommen? Solche Fragen hätte er ihm gestellt,

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