Klausen
Geräte von einem deutschen technischen Hilfsdienst ausgeliehen hatte. Gruber fuhr also nach Nürnberg, woher diese Geräte stammten, und verhandelte. Dort beharrte man darauf, daß die Geräte nur ausgeliehen werden könnten, wenn ein entsprechender Beschluß des Gemeindeparlaments vorliege, so wie in Blumau. Mit dieser neugewonnenen Kenntnis fuhr Gruber nach Klausen zurück. Taschner führte daraufhin einige Telefonate. Er erfuhr, daß das italienische Umweltministerium Meßinstrumente per Gemeindebeschluß zur Verfügung stelle. Dann fragte er in Blumau an, wieso man die Geräte nicht beim italienischen Ministerium, sondern bei dieser Nürnberger Adresse angefordert habe. Das schien ihm nämlich verdächtig. Schließlich kam heraus, daß auch in Blumau gar kein Gemeinderatsbeschluß zustande gekommen war, man sich also gar nicht habe an das Ministerium wenden können und dem Technischen Hilfswerk Nürnberg zweitrangige Papiere vorgelegt habe. Damit hatte Blumau seinen Skandal, denn nach der Veröffentlichung der in Blumau gemessenen Werte, die katastrophal waren, hatte der dortige Gemeinderat nachträglich einfach behauptet, die Messung selbst veranlaßt zu haben, obwohl das Gegenteil der Fall gewesen war, man hatte sie nämlich zu verhindern versucht (sie seien wirtschaftsschädlich). Einige Tage später standen die Geräte aus Nürnberg zur Verfügung. Gasser wurde angesprochen,ob er nicht die Leitung des Projekts Lärmmessung übernehmen wolle, weil man glaubte, er habe in der Durchführung solcher ›Kampagnen‹ in Berlin Erfahrung gesammelt, aber Gasser bekam auf dieses Anliegen hin bloß einen Lachanfall und zeigte dem Stadtrat Taschner sogar einen Vogel. Gasser hörte sich an dem Tag, an dem er gefragt wurde, und am nächsten aus bloßem demoskopischen Interesse ein wenig unter den Mitgliedern der Bürgerinitiative um. Viele schienen ihm sehr guter Laune, und er konnte bei den meisten nicht erkennen, warum sie überhaupt Mitglied der Initiative waren. Bei einigen zum Beispiel schien das lediglich auf die Parteizugehörigkeit zurückzugehen. Gasser stellte unter anderem fest, daß fast alle der Protestierenden Autobesitzer waren. Mindestens dreißig der etwa fünfzig Mitglieder der Bürgerinitiative Lärmschutz Klausen waren sogar tägliche Berufspendler per Automobil. Sie fuhren täglich allesamt nach Bozen, und Gasser wurde öfter Zeuge des denkwürdigen Arguments, daß, wer von Klausen nach Bozen fahre, erst hinter Klausen auf die Autobahn auffahre und also nicht an Klausen vorbeifahre und auch insofern zur Lärmbelastung in Klausen gar nicht beitrage. Daß sie aber alle, die sie dort täglich fuhren, auch an Blumau vorbeikamen, darauf angesprochen zu werden war ihnen lediglich sehr unangenehm. Dabei hatte doch in der vorangegangenen Diskussion allen Blumau als das Beispiel für schlimme Mißhandlung durch Lärmund Abgasbelastung gedient … Drei Tage nach demmißglückten Antrag im Gemeinderat begannen die Messungen durch die Bürgerinitiative. Gruber und Sonja Maretschs Bruder Christian führten sie durch. Sie klingelten bei allen Anwohnern unten am Eisack, von einigen wurden sie in die Wohnung hineingelassen, von anderen hingegen nicht. Einige der Familien, die über die Autobahn klagten, wollten Maretsch und Gruber nicht mitten in der Nacht in der Wohnung haben, andere fanden gerade das wichtig, denn nachts war der Lärm durch die Laster größer, weil in den Nachtstunden ungleich mehr von ihnen fuhren als tagsüber. Maretsch und Gruber arbeiteten voller Enthusiasmus und maßen in der ersten Nacht bereits in nahezu ein Dutzend Wohnungen. Sie klingelten zum Beispiel um drei Uhr nachts bei der Familie X, mit der sie sich vorher abgesprochen hatten, stellten die Meßgeräte im Schlafzimmer auf, eine Weile wurde dann bei offenem, später bei geschlossenem Fenster gemessen, anschließend packten Gruber und Maretsch schnell zusammen, klingelten bei der nächsten Wohnung, wo sie, es war nun halb vier, bereits erwartet wurden, und so schufteten die beiden nahezu rund um die Uhr. Natürlich kam es zu Auseinandersetzungen. Der alte Herr Perluttner etwa bezeichnete die beiden nachts im Treppenhaus mit lauter Stimme als Kanaillen und Kommunisten, denn für Perluttner war jeder, der sich gegen das Deutschtum und für Italien aussprach, ein Kommunist, und aus irgendwelchen Gründen hielt er die Messungen für etwas, das gegen das Deutschtum in Südtirol und für Italien war. Mitseiner Zeterei weckte Perluttner das
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