Klausen
ihn und den jammernden Moreth sofort nach Brixen in die Notaufnahme. So endete diese Nacht auf eine für alle schockierende Weise. Gasser wurde am nächsten Tag auf der Straße, nach dem Bekanntwerdendes Vorfalls, mehrfach angesprochen, seltsamerweise riefen einige ihm gewisse Dinge hinterher, die er als Anfeindungen interpretieren mußte, obgleich er mit den Geschehnissen der Nacht nichts zu tun hatte, er war aus Zufall Zeuge der Ereignisse geworden, mehr nicht. Die Anfeindungen gegen Gasser waren sehr vage. Er solle keinen Keil zwischen die Klausner treiben. Er sei so lange fortgewesen, er verstehe nichts von den Begebenheiten, er verstehe die Klausner nicht mehr, ihm sei alles fremd geworden etcetera . Über Sonja äußerte man sich ähnlich. Gasser war darüber einigermaßen verwirrt, denn er war sich natürlich überhaupt keiner Schuld bewußt. Er ging in den Keller und traf dort, es war gegen Mittag, eine erhitzt debattierende Gesellschaft von Klausnern an; mehr oder minder übrigens dieselben Leute, die auch am Vorabend im Keller gewesen waren. Man saß jetzt allerdings im vorderen Raum. Weinkrüge standen herum, hier und da wurde Speck aufgeschnitten, die weißen Tischtücher waren mit Krümeln übersät, es herrschte eine gewisse Angespanntheit, man kam sich vor wie bei einer politischen Beratung oder gar einer Lagebesprechung. Pareith zeigte sich schockiert über die Vorfälle der Nacht, soweit man sie ihm erzählt hatte, er rauchte an seinem Stumpen und meinte, man müsse etwas unternehmen. Er konnte allerdings nicht sagen, was zu unternehmen sei (und wofür oder wogegen). Die Rolle Laners wurde diskutiert, nicht nur bei dem gestrigen Vorfall, sondern insgesamt in Klausen. Die einen ergriffen für ihn Partei und sagten, Laner habeden Südtirolern viele Arbeitsplätze geschaffen. Die anderen sagten, Laner sei ein Korrupter und ein Verbrecher, und alle, die Arbeitsplätze schaffen, so sie nicht aus dem kleinen oder mittleren Handwerk seien, seien Verbrecher und Korrupte. Alle diese Leute hätten niemals im Sinn, dem Südtiroler Arbeit zu geben, sie brauchen den Südtiroler nur für ihren Gewinn. Was habe denn der Laner im Sarntal gebaut? Eine Papierfabrik, sagten andere, und viele hätten dort Beschäftigung gehabt. Aber, fragten wieder die einen, habe man denn das Papier gebraucht? Wohin sei es denn verkauft worden? Habe wer Mangel an Papier gelitten irgendwo? Antwort: Nein. Also, er habe fast den gesamten Wald dort abgeholzt, Punkt eins, und er habe, Punkt zwei, eine ganz unsinnige Fabrik gebaut, und zwar, Punkt drei, mit Bankkrediten, und jetzt, Punkt vier, sei alles wieder aufgelöst, die Fabrik verrotte, alle Arbeitsplätze seien hinüber, niemand habe durch den Laner dort jetzt Arbeit, aber das Tal sei zerstört und verschandelt. Die anderen: Aber sie haben jahrelang durch Laner Arbeit gehabt. Wo vorher keine gewesen sei, keine Arbeit, sei plötzlich welche gewesen. Besser für einige Jahre als gar nicht. Und hätte man dem Laner und den Sarntalern nicht alle möglichen und nur denkbaren Steine in den Weg gelegt, dann gäbe es heute diese Fabrik noch, und die Arbeit gäbe es auch noch. So ging es hin und her. Die einen argumentierten mit allen ihren Kräften nach der einen Seite, und die anderen nach der anderen, wie sie es schon tausendfach getan hatten in den letzten Jahren.Taschner sagte, man müsse der Sache mit der Gewalt der gestrigen Nacht auf den Grund gehen, man müsse auch Obacht geben, ob die Polizei tatsächlich an der Aufklärung der Sache arbeite oder ob sie diese verzögere, aber man wolle natürlich eines nicht, eines wolle man keinesfalls, nämlich einen Gewaltexzeß. Nein, riefen einige, das wolle man nicht, dafür sei Klausen auch gar nicht die Gegend. Die Klausner seien friedlich. Sie wollten ihre Ruhe. Genau, rief wer, Arbeit wollten sie, und Ruhe. Kritische Stimmen wurden jetzt gegen Taschner laut, man schalt ihn wegen seiner Bürgerinitiative der Wirtschaftsfeindlichkeit. Taschner wehrte sich nach bestem Wissen und Gewissen. Er redete aus ganzem Herzen und nahm Stellung gegen den Verkehr, aber man könnte alles das tausendfach wiederholen und jeweils erneut niederschreiben; alle diese Gespräche, die man über solche Themen nur führen kann, sind tausendmal geführt worden und ändern sich nie. Freilich werden sie jeden Tag weiter geführt. Die einen sind für etwas, die anderen dagegen, und die Welt geht desungeachtet sowieso ihren Lauf. Gasser warf ein, daß … man verstehe
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