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Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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dieses X sei, und dieses Y? Und wieso man denn dort eine Straße hingebaut habe, und was das vor allen Dingen mit Klausen zu tun habe etcetera . Dieses und ähnliches wurde gerufen. Die Sitzung schien für eine kurze Zeit im Chaos zu versinken, dann kam der Antrag doch noch zur Beschlußfassung und wurde mit fünfzehn zu neun Stimmen abgelehnt. Am nächsten Tag wurde im Haus des Stadtrats Taschner die Bürgerinitiative Lärmschutz Klausen gegründet. Diese Bürgerinitiative fand innerhalb weniger Tage einen massenhaften Zulauf all derer, die unten am Eisack wohnten. Auch die Besitzerin Branzolls, hieß es, interessiere sich für dieses Projekt. Das war auch kein Wunder, schließlich liegt Branzoll auf einer Höhe mit der am gegenüberliegenden Hang erbauten Talbrücke, und man wunderte sich sehr darüber, daß die Schwestern aus dem Kloster kein Interesse an der Sache bekundeten, denn gerade dort oben, noch hundertfünfzig Meter oberhalb Branzolls, mußte man diesen Straßenviadukt geradezu hassen. Auch Professor Klein trat der Bürgerinitiative bei. Man erfuhr einiges über seine Leidensgeschichte. Klein lehrte für ein Semester in Bozen, hatte dort bereits nach wenigen Tagen seine ihm von der Hochschule zur Verfügunggestellte Wohnung aufgegeben und war nach Klausen gezogen, weil es ihm in Bozen zu laut gewesen war und er mit Klausen eine idyllische Vorstellung verband. Diese idyllische Vorstellung leitete sich offenbar allein daher ab, daß er vom ganzen Eisacktal vor seiner Anreise nichts weiter gekannt hatte als den bekannten Stich von Albrecht Dürer, Das Große Glück , welcher im Hintergrund Klausen zeigt und der Stadt damit in Kreisen kunstgeschichtlich Interessierter zu weltweiter Nennung verholfen hat. Allerdings sah Dürer die Stadt einige Jahrhunderte vor unserer Zeit, und was Klein also vorfand, war eine gewaltige Autobahnbrücke, ständige Dorffeste mit lauter Popmusik und einen Nachbarn, der morgens wie abends fernschaute und gegen den Klein, der nervlich einigermaßen ruiniert war, bereits nach einer Woche vor Gericht zog. Klein war übrigens kein Querulant, aber er wirkte auf alle so. Innerhalb der Bürgerinitiative wurden schnell mehrere Stimmen laut, die gewisse Dinge verlauten ließen, welche Stadtrat Taschner nicht gefallen konnten. Die Autobahn wurde für manche nämlich alsbald zu einem Symbol für den Staat Italien. Folgender Vergleich wurde gezogen: So, wie der Staat Italien die Stadt Bozen zerstört habe, indem der Staat Italien die Stadt Bozen auf militante Weise industrialisiert und dadurch das gesamte Bozner Becken zerstört und auf Jahrzehnte hinaus unbewohnbar gemacht habe (alles sei dort voller Italiener), so habe er die A 22 errichtet, aus genau demselben Zweck. Mit der A 22 habe der Staat Italien das Eisacktalendgültig annektiert, nämlich zu einer Transitregion herabgewürdigt, das habe man bloß damals, als die Autobahn gebaut worden und jeder noch über sie glücklich gewesen sei, noch nicht verstanden. Andere widersprachen und wiesen darauf hin, daß die Autobahn nicht dem Staat gehöre, sondern einer Privatgesellschaft, immerhin mit Beteiligung der Südtiroler Landesregierung, und die wirtschaftliche Prosperität Südtirols sei gerade durch die Autobahn gekommen. Dem wurde entgegnet, die wirtschaftliche Prosperität Südtirols sei lediglich die Leine, an die der Italiener sie, die Südtiroler, gelegt habe. Wenn die Südtiroler nicht solche Prosperitätswerte hätten, gäbe es hier längst Mord und Totschlag, dann hätten sie den Italiener nämlich schon längst hinausgeworfen aus ihrem Land. Innerhalb der neugegründeten Bürgerinitiative schien dann sogar schon nach zwei Tagen ein großer Streit zwischen den Greisen, die noch die Option erlebt hatten, auszubrechen, es gab die Italienbekenner und die Südtirolbekenner, und einige Südtirolbekenner verließen dann auch gleich wieder die Bürgerinitiative, aber Taschner konnte diesen Streit im letzten Moment notdürftig schlichten. Die Initiative Lärmschutz Klausen beschloß nun, Lärmmessungen auf eigene Faust, also ohne Gemeinderatsbeschluß, durchzuführen. Man nahm Kontakt zur Gemeinde Blumau auf und erkundigte sich über die wissenschaftlichen Kriterien und die technische Durchführung solcher Meßreihen. Der Elektrowarenhändler Gruber aus der Unterstadt, ein Bekannter Josef Gassers,der ebenfalls öfter im Keller verkehrte, wurde nach Blumau geschickt, um dort die Geräte zu inspizieren. Gruber erfuhr, daß man die

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