Klausen
dieser verdammten Ziegelfabrik. Und wenn die Arbeiter auf ihren Fahrrädern ankamen frühmorgens und sich, noch halb betrunken, Debilitäten und Schweinkram zugegröhlt hätten, dann habe er sich ebenfalls nicht daran gestört (aber sie!). Erst als die Arbeiter begonnen hätten, mit dem Auto zu kommen, und als der Parkplatz gebaut worden sei und die Arbeiter also alle morgens dort eingeparkt und abends wieder ausgeparkt hätten und auch mittags hier und da ein Auto gefahren sei, erst da sei ihm der Odenwald verdorben gewesen. Sie schreien jetzt morgens nicht mehr herum, sie tauschen ihre Obszönitäten nicht mehr aus, weil jeder in seinem Auto komme, es sei also insgesamt (für sie!) viel erträglicher geworden dort, aber für ihn sei damit der gesamte Odenwaldund sein Elternhaus vernichtet gewesen. Dann habe er das Haus nicht mehr haben wollen etcetera , und jetzt sitze glücklich sein Bruder darin, und er, Klein, ziehe von Ort zu Ort in die nächste, jeweils immer noch größere Verzweiflung hinein. Er: So, jetzt sind die Balkontüren zu. Jetzt sei einmal ruhig. Sie: Wieso soll sie immerfort ruhig sein? Er: Da, hörst du das nicht? Sie: Was? Er: Das, höre doch! Sie: Ja, in der Tat. Ein Fernseher. Sie höre einen Fernseher. Er: Mache ich die Balkontür auf, höre ich den Fernseher nicht, aber die Autos. Mache ich die Balkontür wieder zu, höre ich die Autos nicht mehr, aber den Fernseher. Ein schöner Chiasmus. Der Chiasmus meines Unglücks. Meiner ganzen verdorbenen Existenz. Badowsky: Hat er es denn mal mit Ohropax probiert? Er, Badowsky, habe letzten Monat neben einer Baugrube gehaust, da hat Ohropax geholfen. Frau Klein: Was habe er denn neben einer Baugrube gemacht? Badowsky: Was er dort gemacht habe? Nun, nichts. Sie seien dort eine Weile gewesen. Es gab ein Zelt, irgendwer hatte ein Zelt. Es war auch ständig Bier da. Es war eine gute Zeit, könne er jedem nur empfehlen. Aber hier denke ja jeder nur an seine Krankenversicherung und Altersvorsorge, lebe aber nicht. Perluttner, zur Klein: Was meinen Sie eigentlich mit der guten Südtiroler Luft? Sie stellen sich in Klausen auf einen Balkon und meinen, hier gute Südtiroler Luft zu atmen? Die Luft sei aber nicht gut. Sie sei ganz und gar schlecht. Das komme von den italienischen Autos. Andere: Wieso von den italienischen Autos? Wir sindnicht mehr im Krieg. Es komme von den Autos überhaupt, von der Autobahn. Perluttner: Die deutschen Autos sind sauberer. Die Deutschen sind überhaupt sauberer. Auch der Südtiroler an und für sich ist ein sauberer Mensch. Nur die Italiener, die machen hier alles dreckig. Die italianisieren hier nämlich alles. Perluttner sprach das Wort italianisieren langgezogen und näselnd aus, hämisch und abschätzig. Man klärte Frau Dr. Klein über die neuerdings im Eisacktal gemessenen Luftwerte auf und sagte ihr, es sei leider so, daß in den meisten Landstrichen Italiens, Österreichs und Deutschlands die Luft bedeutend besser sei als hier. Für den Asthmatiker sei das Eisacktal kein Gebiet mehr etcetera . Pareith sagte, das liege seines Erachtens alles bloß an den modernen Meßmethoden. Die messen heute alles genau, und früher haben sie es nicht gemessen, und jetzt denkt man, alles sei schlechter, dabei sei es vielleicht genau wie vorher. Andere wagten sich jetzt ebenfalls zu Wort und widersprachen den schlechten Luftwerten. Die Luft sei gar nicht schlecht. Wenn man ein bißchen höher gehe, zu den Almen, sei die Luft die beste Luft überhaupt. Man redete hin und her, und irgendwann kam man wieder auf Laner und seinen Kreis zu sprechen. Man versuchte zu erörtern, inwieweit Delazer bei dem gestrigen Geschehen eine Rolle gespielt habe. Er habe sich, so war beobachtet worden, immerfort im Hintergrund gehalten. Dadurch könne man auf eine eher passive Rolle Delazers schließen. Andere sagten, daraus könne man vielmehr auf eine besonders aktiveRolle Delazers schließen. Delazer habe sich gewandelt. Aus dem Mann für das Grobe sei der Mann geworden, der im Hintergrund die Fäden in der Hand halte. De facto betreibe inzwischen Delazer die Geschäfte Laners. Laner werde alt, der Gefängnisaufenthalt und die öffentlichen Anfeindungen hätten ihn schwer gezeichnet und tiefer verwundet, als man das bisher gedacht habe. Perluttner: Der Mann habe immer auf seine Ehre gehalten. Er habe ihm nichts vorzuwerfen. Er habe viel für sie alle getan. Ohne ihn gäbe es zum Beispiel die Sporthalle nicht. Die Italiener haben uns ja keine Sporthalle
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