Klausen
ihn recht … er wolle nun weder gegen noch für diese Bürgerinitiative etwas sagen (Andere: Warum denn nicht? Warum denn nicht dafür? Andere: Warum denn nicht dagegen? Wieso er denn nicht, wenn er es doch wolle, dagegen rede?) … Gasser: Er wolle überhaupt nur folgendes sagen. Der Verkehr wachse doch sowieso weiter. Er sei schon immer gewachsen, und also wachse er ganz selbstverständlichweiter. Er ärgerte sich allerdings sofort, das gesagt zu haben, denn es handelte sich um eine Binsenwahrheit. Natürlich sah man darin sogleich eine Stellungnahme. Die einen meinten, Gasser sei mit diesem Ausspruch gegen die Bürgerinitiative, die anderen meinten, er sei dafür und man sollte ihn einbinden in die Initiative, denn er werde noch viel radikaler agieren als Taschner, der vielen zufolge eigentlich gar nicht agierte, sondern das operative Geschäft schon nach wenigen Tagen ganz Gruber übergeben hatte und nur mehr noch als Gründungsfigur der Initiative zeichnete. Bemerkenswert war auch ein Auftritt Professor Kleins und seiner Frau. Kleins Frau war am späten Vorabend in Klausen angekommen und wollte über das Wochenende bleiben. Sie war eine der Deutschen, die Südtirol über alles lieben und deren höchstes Glück es ist, die Berge und den Himmel dort zu sehen und an einem Holztisch in freier Natur, das heißt auf der Terrasse eines Gasthauses, zu sitzen und Schlutzkrapfen zu essen oder sonst ein Gericht der Südtiroler Küche. Sie vor allem hatte sich dafür begeistert, daß Klein die einjährige Dozentur in Bozen annahm. Beide waren vor etwa zehn Jahren in dem kleinen Weinort Girlan gewesen, hatten dort drei Tage lang in einer Pension gewohnt und jeden Tag auf der Terrasse des Marklhofs gegessen, das galt Frau Dr. Klein bis heute als das endgültige Glück. Im Marklhof, das gehört dazu, ißt man dann freilich kein typisches Südtiroler Gericht, sondern man ißt international, Frau Dr. Klein etwa schwärmte vom Hackepeter,der dort von einem jungen, schlanken, überaus attraktiven Kellner in geübten Handbewegungen mit allerlei Kräutern und Gewürzen am Tisch vermengt wurde. Frau Dr. Klein war also am Vorabend sehr spät in Klausen angekommen, hatte sich in der Wohnung ihres Mannes auf den Balkon gestellt, die für sie herrliche Luft eingeatmet, die Berge betrachtet, das heißt, dorthin geschaut, wo sie sich vermutlich befanden, es war ja Nacht. Dann waren sie über verschiedene Dinge in Streit oder zumindest in Verstimmung geraten, und diese Verstimmung dauerte bis zum nächsten Tag an. Klein saß mißmutig an einem Tisch im Vorraum des Kellers , hörte sich die Debatten an, die zwischen Taschner und den anderen stattfanden, und zerbröselte unbewußt eine Semmel über dem Brotkorb. Seine Frau unterhielt sich begeistert mit den Südtirolern und interessierte sich sehr für alles, was mit der gestrigen Nacht zusammenhing. Insbesondere für Laner interessierte sie sich, er wurde ihr nämlich von allen als Schlüsselfigur zu ziemlich jedem Klausner Geschehen dargestellt. Sie erzählte, das verstörte den Professor um so mehr, gewisse Dinge, die mit ihrer Arbeit zu tun hatten. Frau Dr. Klein arbeitete nämlich an einem Institut für Medienforschung und hatte dort in letzter Zeit ein Projekt entwickelt unter dem Titel Die Kultur des Widerstands im Worldwideweb . Sie kam wohl allein deshalb auf dieses Projekt zu sprechen, weil auch die Bürgerinitiative Lärmschutz Klausen eine Form des Widerstandes war. Also erzählte sie von anderen, die anderen Dingenwiderstanden, zum Beispiel (und das vor allem war es, was den Professor quälte) vom Frankfurter Flughafen und der gegen ihn gerichteten Protestbewegung im Internet. Frau Dr. Klein erzählte die eigenartigsten Dinge, viele im Keller konnten gar nicht glauben, wie radikal die Formen des Widerstands waren (zumindest auf diesen Internetseiten). Die gewöhnlichsten Seiten waren die, die bloß über dies und das informierten. Zum Beispiel hatte man in letzter Zeit die Flugrouten in der betreffenden Region umgestellt, und jetzt informierte man darüber; die einen behaupteten dies über die neuen Flugrouten, die anderen das, wie es eben so ist. Dann gab es aber auch Spiele, die man herunterladen konnte. Man konnte mittels einer Flugabwehrkanone, die man von einem Wohnblock aus steuerte, Linienmaschinen abschießen, für Lufthansamaschinen, die man vom Himmel holte, gab es deutlich mehr Punkte als für andere Fluglinien, und wenn die Maschine zerbrach und das Spiel einem
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