Klausen
mitteilte, daß die Maschine auf dem Weg nach Mallorca gewesen sei, gab es Bonuspunkte und eine heldische Melodie dazu. Dann gab es sogenannte Diskussionsforen, in denen jede mögliche Art Fluggast auf das übelste beschimpft wurde, man wünschte jedem Fluggast ebendieselbe Hölle an den Leib, die die einen täglich zu durchleben hatten, weil die anderen dauernd über sie hinwegflogen. Handbücher zum militanten Widerstand gab es, und auch von einem Drehbuch erzählte Frau Dr. Klein, das jemand ins Netz gestellt hatte, bis der Verfassungsschutz es wiederaus dem Netz genommen hatte. Es war das Drehbuch zu einem Film, in dem ein Himmelfahrtskommando, ähnlich wie etwa in Die Wildgänse kommen , den Frankfurter Flughafen im Handstreich nimmt und dort allerhand Zerstörungen anrichtet, bis zum Schluß sogar von irgendwoher Jagdbomber erscheinen und den Flughafen vollends vernichten. Frau Dr. Klein erzählte das alles sehr amüsiert, denn es hatte für sie offenbar einen großen anekdotischen Wert, sie erzählte gerne von den seltsamen und absurden Verschrobenheiten der Menschen, das machte sie glücklich und zufrieden. Viele lachten tatsächlich über das, was sie im Keller erzählte; besonders Badowsky, der mitten in ihren Erzählungen hereinkam, hörte gebannt und sogar nachdenklich zu, geradezu so, als zöge er einen persönlichen Gewinn aus diesen Geschichten. Aber der Professor stand plötzlich auf und ging hinaus, weil er es nicht mehr ertrug. Frau Dr. Klein schaute zur Decke und seufzte. Sie wollte ihm zuerst nachgehen, besann sich dann aber eines Besseren. Sie könne ihm nicht immer hinterherlaufen, sagte sie, sie sei auch nur ein Mensch, nicht nur er. Was könne sie denn dafür, daß sie nicht so veranlagt sei wie er? Man verstand nicht recht, was die Frau da sprach. Was denn mit ihrem Mann sei, wurde sie gefragt. Sie erzählte nun in kurzen Worten das Lebensschicksal ihres Mannes und also auch ihres, darin war enthalten unter anderem: daß ihr Mann aus dem Odenwald stamme, daß sie bei Frankfurt wohnten, daß sie wegen seiner Geräuschempfindlichkeit schonviermal umgezogen seien, daß er keine Autos und neuerdings auch keine Flugzeuge mehr ertrage, daß sie hauptsächlich deshalb beschlossen hätten, ein Jahr nach Bozen zu gehen, daß jetzt hier aber ebenfalls wieder Autos seien und daß sein Nachbar jeden Morgen um sieben Uhr fernschaue etcetera . Ja, will er denn gar nichts hören, der Professor, fragte man. Sie: Das frage sie sich auch bisweilen. Er sage immer wieder, alle sollten endlich ruhig sein. Manchmal, wenn der Anfall besonders schlimm sei, sitze er da, ohne jede Reaktion, und stammle vor sich hin, alle sollten endlich ruhig sein , immer wieder: alle sollten endlich ruhig sein . Das sei beängstigend. Die anderen: Ja, das sei beängstigend. Sie: Gestern abend habe sie, einfach so, auf dem Balkon herumgestanden, um die Südtiroler Luft zu genießen, aber ihr Mann habe ihr befohlen, die Balkontür zu verschließen, wegen der Autos. Was denn für Autos, habe sie gefragt. Du mußt ruhig sein, um sie zu hören, sagte er, dann wirst du sie hören. Sie sei ruhig gewesen, tatsächlich habe sie jetzt die Autos gehört. Habe sie die Balkontür geschlossen, seien die Autos merklich leiser gewesen. Nun, sagte sie, dann laß eben die Balkontür geschlossen. Dafür, sagte er, bin ich also nach Klausen gegangen, um hier die Balkontür zu schließen! Sie: Autos gibt es überall. Er: Das wisse er. Sie: Du stellst dich gegen die ganze Menschheit. Er: So ein Quatsch. Sie: Und deshalb streitest du dich in letzter Zeit auch immer mit Saverio Zanetti. Er hat das an dir begriffen. Du störst dich an den Menschen, an ihrem Willen, an allem, was sieneu machen. Du erträgst nur das, was schon da war, bevor du da warst. Züge zum Beispiel. Du hast auch immer die Ziegelfabrik in ***stätten ertragen. Weißt du eigentlich, was diese Ziegelfabrik für einen Lärm gemacht hat schon um halb sieben Uhr morgens, und du hast dich nie daran gestört, du hast immer bei offenem Fenster geschlafen und gesagt, das sei der Odenwald, der Odenwald sei herrlich. Und die Vögel hast du gehört, diesen kleinen Bach an deinem Elternhaus hast du gehört … Er: Das Rauschen der Blätter in den Apfelbäumen … Sie: Ja, das Rauschen der Blätter in den Apfelbäumen, aber die Ziegelfabrik hast du nicht gehört, die hast du gar nicht wahrgenommen, die war für dich ein Naturgeräusch, aber ich habe in deinem Elternhaus nicht schlafen können wegen
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