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Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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rasanten Geschwindigkeit verlieren sollte. Am Morgen dieses nächsten Tages war Gasser nämlich verschwunden, nichts wies mehr auf ihn hin bis auf seinen Mantel, den er im Keller vergessen hatte (und zwar, wie vermutet wurde, weil er zu betrunken gewesen war, um an ihn zu denken). Auer wurde am selben Morgen von der Polizei aufgesucht und auf die Wache mitgenommen, und Badowsky entzog sich dem Zugriff der Polizei dadurch, daß er in eine Gastwirtschaft hineinrannte, dort in die Toiletten stürmte, durch das rückwärtige Fenster das Gebäude wieder verließ und sich durch einen Sprung in den Eisack für die nächsten Tage aus Klausen verabschiedete. In der Nacht hatte sich, wie man jetzt erfuhr, in Brixen folgendes ereignet. Gegen zweiundzwanzig Uhr dreißig war in der Albuingasse Alois Zurner aus einer Bar getreten, in der er regelmäßig verkehrte, um dort in ungezwungener Atmosphäre (so nannte er das) die Geschäftsabschlüsse mit seinen Vertragspartnern zu begießen. Er hatte in dieser Bar mit einem Sterzinger Kaufmann zusammengesessen, mit ihm fünf Halbe Roten getrunken und ihm dann ein Taxi gerufen. Zurner selbst ging zu Fuß, zuerst über den Domplatz, dann durch die wie immer nach Käse stinkende Gasseam Finsterwirt vorbei, die sogenannte Stinkergass . Dort begegnete er einem Bekannten, beide erregten sich über den Gestank in der Gasse, ein in dieser Gasse seit Jahrzehnten ebenso beliebtes Gesprächsthema wie andernorts das Wetter. Der Bekannte sagte, Zurner solle den Käsehändler endlich vertreiben. Zurner sagte, wo soll denn dann seine Frau den Ziegerkas kaufen, in ganz Brixen gebe es nur in diesem Laden noch Ziegerkas, ausgerechnet bei Italienern. Nach fünf Minuten Konversation über die Italiener im Südtiroler Wirtschaftsraum lief Zurner weiter. Er verließ nun den Bereich der Altstadt und wandte sich nach Süden, denn Zurner wohnt in der von Spaur-Straße, in einem villenartigen Haus. Hinter der Hofburg gibt es eine Mauer, in die ein kleines Tor eingelassen ist, welches fast kein Brixner kennt, da man ihm nie Aufmerksamkeit schenkt, es ist nämlich immer mit einer uralten Holztür verschlossen und kaum einen Meter und achtzig hoch. Zurner stand verwundert vor diesem Tor, denn es stand offen, er bemerkte es nun zum ersten Mal in seinem Leben. Er schaute hinein und sah dort ein Spalier an Obstbäumen, einen Kräutergarten, Gartengeräte, alles lag in einem hellen Licht, denn über das Spalier hinweg wurden die historischen Mauern der Hofburg von starken Strahlern angeleuchtet. Wie er in dem Torbogen stand (Zurner ist vom Wuchs her ein gewöhnlicher Südtiroler und paßt also unter einen Türsturz von einem Meter und achtzig, ohne sich beugen zu müssen), war er unentschlossen, ob er denn einmal in dieses Gärtchen tretensoll, das ihm allerliebst schien, oder nicht, und ob er nicht irgendwen benachrichtigen sollte, um anzuzeigen, daß dieses Tor hier offen stehe und es verschlossen werden solle, bloß der Ordnung halber. Zurner sah auch ein Kreuz auf einem kleinen Altarstein, der Altar lag in einem entzückenden Licht, und Zurner verspürte ohne weiteres Zutun und aus seiner bloßen katholischen Erziehung heraus den Antrieb, dort kurz niederzuknien und das Vaterunser zu beten. Da allerdings erhielt er einen Stoß von hinten und befand sich nun im Gärtlein. Er wurde zu Boden gezogen, hörte, wie die Tür verschlossen wurde, und nun war er, wie er sofort begriff, gänzlich ausgeliefert. Da ihm sofort schwarz vor Augen geworden war, sah er zunächst nichts, und er machte auch keine Anstalten, etwas sehen zu wollen, denn man rammte ihm zunächst den Kopf mit dem Gesicht nach unten in den Erdboden, und währenddessen trat man ihm kräftig in die Flanken, so daß er dachte, er werde mit Sicherheit gleich sterben. Dann bog man ihm auch noch den Arm um, jemand kniete sich in seinen Rücken, aber eigentümlicherweise machte sich niemand an seiner Geldbörse zu schaffen, er hörte vielmehr nur höhnisches Lachen. Die Mißhandlungen, die Zurner nun erfuhr, waren zahlreich und von einer ausgesuchten Boshaftigkeit. Zurner erkannte niemanden, und die Stimmen, die er hörte, klangen fast allesamt südtirolerisch, eisacktalerisch, vielleicht, sagte er später aus, habe er auch einen Bozner und einen Pustertaler gehört, mit Sicherheit aber einen Italiener. Dieser Italienerhabe immer wieder porco dio, dio bestia gerufen, wenn er auf ihn eingetreten habe. Es ergab sich sogar in dieser mißlichen Lage ein Gespräch

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