Klausen
daß sie fast zwei Tage getrunken hätten und daß erst spät in der Nacht des zweiten Tages die letzten verschwunden seien oder sich schlafengelegt hätten. Daraufhin wurde Auer vernommen. Da er betrunken war,konnte er sich an gar nichts erinnern. Allerdings sprach er in großer Begeisterung Beleidigungen gegen die verschiedensten Leute aus, Zurner beispielsweise bezeichnete er mehrfach als Kapitalisten . Die Polizisten fragten auch nach Zurners Skybeamer und was Auer davon halte. Auer sagte, für diesen Skybeamer gehöre Zurner natürlich bestraft. Daraufhin wurde Auer vorläufig verhaftet. Er nannte in seiner großen Trunkenheit noch ein paar andere Namen, auch den Gassers. Zum Schluß kam aber heraus, daß Auer zu der Zeit des Attentats stundenlang damit beschäftigt gewesen war, auf einer Holzbank unweit der Burg einem kleinen albanischen Mädchen zwei Akkorde auf der Gitarre und, mittels dieser beiden Akkorde, die italienische Nationalhymne beizubringen (zumindest deren Anfang), die Anwohner hatten nämlich wegen Ruhestörung einen Polizeiwagen kommen lassen, ein besseres Alibi war nicht denkbar. Also wurde Auer wieder freigelassen. Zanetti war am nächsten Morgen nach Pisa zu einer Tagung abgereist und kam erst zwei Tage später zurück. Er suchte sogleich die Polizeiwache auf und gab dort folgendes zu Protokoll. Es habe sich in der besagten Nacht auf der Ploderburg eine große Runde versammelt gehabt. Sicherlich fünfzehn oder zwanzig Leute, die allesamt von irgendwoher gekommen seien, hätten dort um ein Feuer herum gesessen, ein paar Deutsche aus der linken Szene, auch zwei Kärntner Antifaschisten (sie hätten sich immerfort selber als Kärntner Antifaschisten bezeichnet, obgleich niemandem habe ersichtlich werden können,warum, sie seien nämlich ziemlich aggressiv gewesen und hätten sehr anzüglich über die in der Burg anwesenden jungen albanischen Mädchen gesprochen), einige Italiener, die sehr braungebrannt gewesen seien und auf ihn, Zanetti, wie Bauarbeiter gewirkt hätten, und auf die Frage der Polizei gab Zanetti auch an, ja, möglicherweise seien auch Pakistaner in der Runde gewesen, ja, möglicherweise drei, aber er habe das alles bei dem Feuerschein nicht gut erkennen können. Er erzählte weiter, daß er sich an diesem Abend sehr mit Gasser zerstritten habe, und zwar so sehr, daß beide kein Wort mehr miteinander gewechselt hätten, auch später in Klausen nicht, nachdem sie dorthin zurückgekehrt waren. Die auf der Ploderburg versammelte Runde schien ihm, Zanetti, zu großen Teilen aus Menschen bestanden zu haben, die auf der Durchreise zu einer Demonstration oder sonst einer politischen Veranstaltung gewesen seien, aber er habe das nicht genau durchschauen können, es sei mächtig getrunken worden, er sei darüber hinaus infolge des Streits mit Josef Gasser unkonzentriert gewesen. Den Grund des Streits konnte oder wollte Zanetti nicht deutlich angeben. Er sagte auch, daß schon im Verlauf des Abends sich die Runde teilweise aufgelöst habe, um sich später wieder, in etwas anderer Zusammensetzung, erneut dort am Feuer zu versammeln, es habe eine große Fluktuation unter den Anwesenden geherrscht, er selbst beispielsweise habe Auer schon sehr bald aus den Augen verloren, und Gasser dann später zumindest zeitweise. Badowsky,sagte er, sei im Verlauf des Abends mit den beiden Kärntnern und einem anderen in die Wohnung einer der albanischen Familien eingedrungen und habe dort für Unfrieden gesorgt, sei es, daß sie nach Schnaps, sei es, daß sie nach einem Mädchen gesucht hätten, zumindest sei ihm, Zanetti, und auch anderen das Treiben nach einigen Stunden zu bunt und zu abscheulich gewesen (auch die Lieder, die dort gesungen wurden, waren abscheulich, sagte er), und als Gasser wieder erschienen sei, seien sie allesamt nach Klausen zurückgefahren, leider habe sich ihnen dieser übelriechende und ganz und gar unangenehme Badowsky angeschlossen und sei ebenfalls nach Klausen zurückgekehrt etcetera . Natürlich erfuhr diese Nacht auf der Ploderburg in ganz Klausen eine sehr romanhafte Ausgestaltung. Gasser wurde teils zu einem Gewalttäter, teils zu einer Art Widerstandsheld gemacht, in Zanetti hingegen sahen einige einen verleumderischen und boshaften Charakter, eine Art Mephisto, der sein Gift unter die Menschen verstreue, andere hielten den Florentiner Universitätsassistenten für den einzigen anständigen und besonnenen Menschen in dem ganzen Haufen der Verruchtheit und Abscheulichkeit,
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