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Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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irgendwelche Touristen erschienen, um nach den verschiedensten Dingen zu fragen, wie jeden Tag. Auch Auer erschien irgendwann und setzte sich für eine Stunde mit ihm hinter die Stellwand, dort rauchten und tranken sie. Jedesmal, wenn irgendwelche Touristen das Büro durch die Glastür betraten, nahm Gasser in konzentrierter Langsamkeit seine Füße von dem Regal, ordnete sich und trat hinter den Tresen. Er beantwortete die an ihn gestellten Fragen allesamt mit einer perfekten Souveränität, wie jeden Tag, allerdings hatte er es sich in letzter Zeit zur Gewohnheit gemacht, Menschen, die gewisse Auskünfte wollten, auf eine geradezu aberwitzige Weise in die Irre zu schikken. Er schickte sie in alle Himmelsrichtungen, zumeist auf die Autobahn nach Süden, und hieß sie erst in Trient wieder die Autobahn verlassen. (So gut wie alle kamen diesen Aufforderungen auch völlig brav nach.) Als Auer anwesend war, erschienen zuerst drei Italiener im Fremdenverkehrsverein, die ein Hotel suchten, dann kamen ein paar oberitalienische Jugendliche ins Büro, die offenbar einen Schulausflugmachten und es spaßig fanden, hier ganz offiziell nach einer Pizzeria zu fragen, anschließend erschienen ein paar Deutsche. Bei den deutschen Touristen, die nach Klausen in den Fremdenverkehrsverein kommen, handelt es sich immer um dieselbe Altersgruppe, nämlich um Rentner, und zwar kommen sie immer ausschließlich als Paar, wenn sie nicht in Gruppen kommen. Sogar ihre Kleidung ist oft auf eine grausame Weise klischeehaft. Die Deutschen tragen nicht selten Kniebundhosen und rote oder grüne Kniestrümpfe, dazu haben sie Kappen auf dem Kopf, Männer und Frauen unterscheiden sich lediglich darin, daß der Mann vorgeht und die betreffenden Fragen stellt, während die Frau hinter ihm steht, alle städtischen Werbebroschüren durchwühlt, um sie in völlige Unordnung zu bringen, und anschließend den Mann ungeduldig und fast boshaft fragt, was er denn nun endlich in Erfahrung gebracht habe. Gasser sagte ihnen, daß die Stadt völlig ausgebucht sei und sie in keinem Hotel auch nur noch ein Einzelzimmer finden könnten, er erfand zur Unterstützung dieser Behauptung einen Ärztekongreß, der zur Zeit, wie jedes Jahr in diesen Wochen, in Klausen stattfinde und wegen dessen Klausen ausgelastet sei. Es sei in Klausen nichts anzufangen zur Zeit, am besten, sagte er den Touristen, führen sie nach Bozen, oder besser noch nach Trient, in Trient, das wisse er mit Sicherheit, seien noch Zimmer frei, gute Zimmer, gut und nicht teuer. Ja, Trient, fragten die Gäste, aber … spreche man denn in Trient auch deutsch? Gasser sagte, man sprecheja nicht einmal mehr in Klausen deutsch. In Klausen werde nur noch im Fremdenverkehrsverein deutsch gesprochen. Selbst die Speisekarten seien hier inzwischen auf italienisch. Daraufhin verließen die Touristen fluchtartig die Stadt, und Gasser und Auer hatten ihr Amüsement. Am Abend versammelte sich dann eine größere Runde, Gasser, Badowsky, Auer, Zanetti etcetera , sie zogen zuerst durch die Wirtschaften, und dann fuhren sie allesamt auf die Ploderburg nach Brixen und verbrachten dort die Nacht. Am nächsten Tag erschien Gasser nicht zur Arbeit. Diese und die folgende Nacht waren in Klausen alsbald sagenumwoben. Man munkelte die verschiedensten Dinge, alles wurde sehr großartig ausgemalt: Die Gruppe um Gasser sei erst in der zweiten Nacht wieder nach Klausen zurückgekehrt, alle seien sofort in den Keller gegangen und hätten dort unglaubliche Massen getrunken, Badowsky soll von Sinnen geschrien haben, das sei das größte Fest, das er je gesehen habe; allerdings soll er nach wie vor keine Lire in der Tasche gehabt haben, und woher sie überhaupt alle das Geld genommen hätten, das sie nun vertranken, habe keiner sagen können. Zanetti habe die halbe Nacht über irgend etwas von dem Gesetz der Ökonomie gefaselt, dann habe er, indem er auf einen Tisch geklettert sei, einen Vortrag über den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik gehalten, übrigens einen völlig unverständlichen Vortrag, es habe auch niemand gewußt, wieso er gerade darauf verfallen sei, und er habe dabei immerfort in die Hände geklatscht.Alles das und die seltsame Begeisterung, die über der betrunkenen Runde gelegen habe, soll den Zuschauern ein absolutes Rätsel gewesen sein. Am nächsten Tag redete jeder darüber, in den verschiedensten Versionen. Nun entwickelte das Geschehen eine eigenartige Dynamik, die bis zum Schluß nichts mehr von ihrer

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