Klausen
beschädigt worden. Das heißt, sie war vielmehr überhaupt nicht beschädigt worden, es war lediglich ein Geräteschuppen am Hang neben der Autobahn explodiert, und nicht einmal das wäre so richtig ausgedrückt, es gab nämlich bloß eine geringfügige Explosion, und das völlig baufällige Häuschen brannte daraufhin aus, ohne daß irgendwer zu Schaden gekommen wäre. Zuerst hielt man Gasser für den Drahtzieher der Aktion. Man hatte in seinem Mantel eine ausführliche Skizze des Autobahnviadukts gefunden. Diese Skizze war in der Zeitung zu sehen, Perluttner gab zu Protokoll, daß Gasser sie drei Wochen zuvor auf der Bank vor der Kirche angefertigt habe, er habe ihn dabei beobachtet und das auch Gassers Mutter mitgeteilt. Weiterhin fand man in Gassers Mantel ein umfangreiches handschriftliches Dokument von fünf Seiten über die Ploderburg, die Situation ihrer Bewohner und den Streit zwischen Alois Zurner und Agrarrat Laner hinsichtlich dieser Burg. Man fand auch den Zeitungsartikel über die Proteste des Vogelschutzbundes gegen den Lichtstrahler des Sam . Wenn das sich nicht sofort zu einem Bild zusammenfügte! Auf den Rand des Zeitungsartikels war eine Zahlenfolge geschrieben, siestellte sich als die Telefonnummer der Piemonteserin auf Branzoll heraus etcetera etcetera . Alles wurde zum Glied einer beeindruckenden Kette, für einige Tage war man von all dem völlig überzeugt und hielt es für vollkommen schlüssig: Gasser und das brutale Vergehen an Zurner (die Lichtkanone!) … Gasser und die Kontakte zur Ploderburg (das Waffenlager, die Schießübungen!) … Gasser und der Anschlag auf die Autobahn (die vor der Kirche angefertigte Skizze!)… Gassers mehrtägige Abwesenheit (Sonja zufolge allerdings nicht weiter ungewöhnlich) … zuletzt: Gassers Haß auf Delazer, der Neid gegen seine Schwester etcetera etcetera … Zeugenaussagen folgenden Inhalts wurden zu dem Geschehen auf der Brücke abgegeben. Zuerst seien nördlich und südlich des von dem Anschlag betroffenen Segments der A 22 mehrere Personen in der Kleidung gewöhnlicher Straßenarbeiter auf die Fahrbahn gelaufen, hätten mit offiziell aussehenden Signalen die Fahrzeuge gestoppt und die Fahrbahn mittels Schranken gesperrt. Währenddessen hätten mehrere Personen versucht, ein Schriftbanner zwischen zwei der mächtigen Pfeiler zu spannen, was aber aus irgendwelchen Gründen mißlungen sei, es sei nämlich auf der einen Seite in die Tiefe gestürzt. Das Banner wurde später gefunden, es trug eine gegen den Transitverkehr gerichtete Parole als Aufschrift, die Parole war sehr allgemein gehalten, ohne direkten Bezug auf die Gegebenheiten im Eisacktal oder in Klausen. All das habe man oben von der Straße aus nicht sehen können. Irgendwann habe einer der Männerseine Arbeitskleidung abgelegt und begonnen, sich von der Brücke abzuseilen. Ein anderer (Auer) habe plötzlich mitten auf der Straße gestanden und wild mit den Händen gestikuliert, dann habe es geschienen, als halte er eine Rede, aber es habe sich nicht ausmachen lassen, an wen er diese Rede gerichtet habe, er stand einfach dort herum und redete und redete, und zwar mit großem Impetus. Er war vollends betrunken; man konnte übrigens nicht sagen, wieso er überhaupt auf der Talbrücke erschienen war, vermutlich hatte er die Nacht in dem Geräteschuppen verbringen wollen, allein mit einer Flasche Schnaps, hatte daher den Aufmarsch der Aktivisten oder Terroristen aus nächster Nähe erlebt und sich zu einer unverständlichen Handlung hinreißen lassen, nämlich ebenfalls auf die Autobahn zu laufen. Nördlich und südlich der gesperrten Zone stiegen nun die Insassen der Lkws und Pkws aus, denn sie wollten erfahren, wieso man die Fahrbahn ohne Ankündigung gesperrt habe und wieso vor allem dieser eigenartige Kerl hier auf der Straße herummache. Einige hupten, aber nur ganz kurz. Da man die Fahrbahn hinter der Absperrung nicht überblicken konnte, mutmaßten manche, es sei dort hinter der Bergkante etwas vorgefallen, ein Unfall, eine Mure sei abgegangen, ein Steinschlag habe sich ereignet etcetera . Es kam zu Diskussionen mit den Leuten in den Straßenarbeiterkleidern. Diese waren sehr wortkarg, die Lkw-Fahrer hingegen wurden alsbald aggressiv und sagten, es gehe ihr Geld verloren, indem sie hier stünden. Es handeltesich bei den Personen in den Straßenarbeiterkleidern im übrigen nicht nur um Männer, sondern auch um Frauen und sogar Mädchen, aber das hatte zuerst niemanden mißtrauisch
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