Klausen
gemacht. Schon verdächtiger war allerdings, daß alle diese Personen in (italienischer) Straßenarbeiterkleidung offenbar Deutsche und Franzosen und auch Niederländer waren. Die Lkw-Fahrer waren bereits, wenige Minuten nachdem man sie an ihrer Weiterfahrt gehindert hatte, so aggressiv, daß sie kurz davor standen, handgreiflich zu werden, einige begannen schon damit, die Schranken eigenhändig wegzuräumen oder vor Wut von der Straße zu treten. Sie riefen, sie hätten ein Recht auf eine freie Straße. Niemand könne ihnen die Straße verbieten, im übrigen gebe es zu viele Baustellen, immerfort gebe es Baustellen, aber diese Baustellen gebe es nur deshalb, weil die Behörden nichts zu tun hätten und also ihre Bautrupps losschickten, um sie ganz unnötige Dinge machen zu lassen, aus keinem anderen Grund als dem der Nichtsnutzigkeit heraus. Auffälligerweise waren alle die Personen in Straßenarbeiterkleidung dann plötzlich wie auf ein Signal verschwunden (möglicherweise war etwas nicht nach Plan verlaufen, also hatten sie sich von der Fahrbahn weg in östliche Richtung begeben und dort im Wald verteilt), nur Auer blieb zurück. In wenigen Sekunden waren die Autofahrer und die Lastwagenfahrer bei ihm. Auer hielt das, was hier geschah, einen Moment lang offenbar noch für lustig, aber insbesondere die Lastwagenfahrer hätten ihn nun beinah gelyncht. Siefragten nicht einmal, was er hier auf der Fahrbahn (als sei diese ihr Eigentum!) zu tun habe, sondern packten ihn gleich am Kragen, warfen ihn nieder, traten kollektiv auf ihn ein und schleiften ihn einmal quer über die Fahrbahn, um ihn dort zwei Meter tief in den Abgrund zu werfen, einfach so, weil sie nämlich meinten, er (Auer) habe sie am Fahren hindern wollen. Hindere uns nicht am Fahren, riefen sie, hindere uns nur nicht am Fahren! Manche riefen auch: Ich bringe dich um, wenn du mich noch mal am Fahren hinderst. (Andere:) Das dulden wir nicht, ganz und gar nicht werden wir das dulden, daß man uns am Fahren hindert! Dann räumten sie die letzten Schranken auch noch weg, gingen zu ihren Autos und Lastern zurück, ließen ihre Motoren an und fuhren los, noch bevor die Carabinieri oben auf der Fahrbahn angekommen waren. Mit der Stille in Klausen war es damit wieder vorbei. Die Explosion hatten die Menschen auf der Fahrbahn offenbar gar nicht beachtet, so waren sie im Furor dort oben gewesen. Auch als sie jetzt das Häuschen brennen sahen, bezogen sie das in keiner Weise auf sich, sie fuhren einfach weiter. Lediglich einige Pkw-Fahrer blieben zurück und standen den Carabinieri anschließend als Zeugen zur Verfügung. Wer jene Menschen in Straßenarbeiterkleidung waren, wurde nie ermittelt. Zuerst meinten fast alle, es habe sich um eine von Gasser ins Leben gerufene und von der Piemonteserin finanziell unterstützte Gruppe gehandelt, und der ganze Plan zur Sprengung der Brücke sei oben auf Branzoll ausgeheckt worden, viele sahen sogar inder Besitzerin Branzolls die geistige Urheberin, denn man wußte, daß sie die gesamten Fenster und Läden der Ostfront ihrer Burg wegen der Autobahn geschlossen hielt (man hatte das schon immer mit Mißtrauen beobachtet, man hielt es fast für eine Beleidigung der gesamten Stadt Klausen, daß sie immerfort so demonstrativ ihre Läden geschlossen hielt). Gasser und ihr hat man schließlich aber nie etwas nachweisen können. Das einzige, worauf sich die Staatsanwaltschaft stützte, war die besagte Zeichnung. Niemand wußte später, welche Rolle Gasser in dem Geschehen gespielt hatte, es war nicht einmal sicher, ob er überhaupt eine Rolle gespielt hatte. Noch lange wurde hier und da behauptet, Gasser müsse, zumindest in Teilen, von der geplanten Aktion gewußt haben, vielleicht über Badowsky oder durch irgendwelche Leute in Berlin. Auch die Sache mit dem Sprengstoff blieb rätselhaft. Es gab durchaus die Theorie, daß jener Sprengstoff vielleicht von ganz anderen Menschen dort oben in dem Gerätehäuschen deponiert worden war, zu völlig anderen Zwecken, möglicherweise hatte einer der Aktivisten (oder Auer) bloß eine Zigarette in den Schuppen hineingeworfen, mehr nicht. Es wurde auch nie nachgewiesen, daß es sich bei den Löchern, die man an den Pfeilern gefunden hatte, tatsächlich um Bohrlöcher zur Aufnahme des Dynamits gehandelt hatte. Sogar die Carabinieri hielten das nach einer Weile nicht mehr für wahrscheinlich. Solche Löcher fand man nämlich überall in den betreffenden Pfeilern, und vor allem: warum wardenn der
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