Klausen
Sonja sagte später, sie habe Gasser vorher schon einige Male in diesem Zustand erlebt, es habe sich an diesem Tag aber um einen besonders beängstigenden Zustand gehandelt, das habe sie gleich gesehen. Alles das blieb sehr rätselhaft. Maretsch fragte, ob er, Gasser, wisse, was mit Auer sei. Gasser wirkte desorientiert und sagte, er habe Auer gesehen, vor einigen Stunden, in seiner Kammer über dem Keller , aber Auer sei sehr betrunken gewesen, sehr betrunken. Er habe ihm die neuen Bilder gezeigt. Gassers Augen bekamen für einen Augenblick Leben, als er sich auf die Bilder Auers besann (er meinte seine Zeichnungen), aber dann starrten seine Augen nur noch um so eigenartiger durch alles hindurch. Sie werden ihn dafür hassen, sagte er. Maretsch schaute ihn befremdet an. Dann fragte Maretsch: Hast du diese Seite geschrieben, die heute überall zu lesen ist? Nein, sagte Gasser,er habe nichts geschrieben. Wieso sollte er etwas schreiben? Maretsch: Du weißt gar nichts davon? Und das mit Zurner, was war mit diesem Zurner? Einige vermuten, das könnte etwas mit dir zu tun haben. Hat das etwas mit dir zu tun? Gasser: Mit mir? Diese Vermutung ist allerdings interessant. Übrigens ist das alles fürchterlich überflüssig, das habe ich schon in jener Nacht gedacht. Maretsch: In welcher Nacht? Gasser: In der Nacht, als alle auf der Ploderburg waren. Dieser Italiener schwätzte andauernd. Es war unerträglich. Ich konnte das Geschwätz dieses Italieners irgendwann nicht mehr ertragen. Alles war eitel und völlig überflüssig. Maretsch: Was war überflüssig? Werde doch deutlicher! Gasser aber redete sehr wirr. Er hatte offenbar überhaupt kein Interesse daran, irgendwelche klaren Antworten zu geben, oder er war gar nicht in der Lage dazu. Er wandte sich auch bald ab und ging aus dem Gebäude hinaus. Die anderen folgten ihm, ebenfalls verwirrt. Erst jetzt fiel ihnen wieder ein, daß im Tal etwas geschehen war, denn draußen standen tatsächlich zwei Polizeiwagen. Daß es gleich zwei waren, war allerdings außergewöhnlich. Irgend etwas war eigenartig dort draußen, aber das war für die Anwesenden nicht gleich zu begreifen. Eine Änderung war eingetreten, etwas war völlig anders als vorher. Zuerst kam es ihnen so vor, als hätte der Wind aufgefrischt, das schien ihnen die nächstliegende Erklärung. Gruber und Maretsch schauten sich fragend an. Die Polizisten standen wortlos da und starrten die ganze Zeit in den Himmel. Auch sieschienen sich zu wundern. Hört ihr es, fragte Gasser. Alle versuchten zu hören. Tatsächlich, es war gar nichts zu hören. Alles war ganz still. Die Gruppe stand sehr verwundert da. Maretsch faltete sogar für einen Augenblick die Hände und nahm sie vor seinen Mund. Nun kam der junge Moreth aus dem Gebäude, schaute zuerst maßlos erstaunt Gasser und die anderen an und war dann ebenfalls schlagartig still. Wieso ist es denn hier so ruhig, fragte er. Jetzt kamen alle zur Besinnung. Sie liefen ein paar Schritte zum Ufer und schauten über den Fluß hinauf zur Talbrücke. Nichts war dort. Alles war still. Kein Auto fuhr und kein Lastwagen. Maretsch sagte später, er habe in diesem Moment wirklich gedacht, es sei ein Wunder geschehen, ein schreckliches Naturgesetz sei plötzlich außer Kraft gesetzt. Etwas Unfaßbares war eingetreten: Stille. Alle hielten die Luft an, Sonja und ihrem Bruder traten sogar Tränen in die Augen. Stille in Klausen, nichts hätte noch eben unvorstellbarer geklungen als das, Stille in Klausen. Nun kamen andere Menschen aus dem Bürgerhaus … Maretsch machte ein zischendes Geräusch, um sie zur Ruhe zu bringen. Was ist denn da drüben los, rief wer. Jetzt füllte sich schnell das ganze Ufer mit Menschen, die aus dem Bürgerhaus kamen. Da, da drüben, rief jemand und wies über den Fluß. Tatsächlich sah man unterhalb der Pfeiler des Viadukts zwei Menschen in Overalls oder Sportkleidung. Sie machten dort irgend etwas, man konnte auf die Entfernung allerdings nicht erkennen, was, alles war sehr klein. Ein dritter seilte sich plötzlichvon oben, genau von der Straße, herunter, er schien in diesem Abseilen sehr geübt und legte schnell mehrere Meter zurück, direkt an einem der mächtigen Pfeiler. Dann hielt er an und machte sich an einer Stelle des Pfeilers zu schaffen. Das ging alles sehr schnell und völlig lautlos vonstatten. Da oben, rief wer, schaut da oben, wer ist denn das? Oben am Straßenrand stand tatsächlich jemand und schien den Klausnern am Ufer zuzuwinken. Er
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