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Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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Satz (der ihm aber in diesem Moment völlig logisch erschien) in die Menge, nämlich: Ihr macht das Handwerk hier nicht kaputt, das Handwerk macht ihr uns nicht kaputt! Valli sagte, Handel und Verkehr, das wisse man, hätten immer für Wohlstand gesorgt, jeder will einen Anschluß haben an Handel und Verkehr. Immer nur Vorteile bringt er aber nicht, dieser Anschluß. Man müsse auch einmal über die Nachteile reden. Über welche Nachteile, fragte jemand. Ein anderer: Ich bin Holzverarbeiter. Ich verarbeite Holz, ich habe ein Sägewerk droben in Karnol. Sagt mir, was wäre mit meinem Geschäft ohne die Autobahn? Nichts wäre damit. Niemand verstand, wieso dieser Karnoler plötzlich von der Autobahn zu reden anfing; offenbar hatte der Manngeglaubt, man habe schon die ganze Zeit von der Autobahn gesprochen. Kunden habe ich bis Trient, rief er, und was soll ich mit denen machen? Jemand: Dein Vater hat das Werk gehabt, und er hat nicht bis Trient verkauft, er hat nicht einmal weiter als bis nach Bozen und Sterzing verkauft, aber damals haben die Leute auch noch etwas gezahlt, heute wollen sie nichts mehr zahlen. (Durcheinander:) Wovon redet er? Ist das einer aus der Bürgerinitiative? Man muß sie verbieten, diese Bürgerinitiative. (Andere:) In einer Demokratie kann man leider gar nichts verbieten. Jeder kann sein Schandmaul aufreißen in einer Demokratie, das ist die Demokratie, genau das. (Noch mehr Durcheinander.) Wir lassen uns hier nicht beschimpfen und beleidigen, wir sind anständige Leute, mit uns kann man so etwas nicht machen. Ach Quatsch, rief die Gegenseite, niemand wird beleidigt, aber so, wie es ist, kann es nicht weitergehen. (Gegenruf:) Wir haben das mit unseren Händen aufgebaut. Wir haben immer ehrlich gearbeitet. (Andere:) Da soll doch der Herr Delazer einmal etwas dazu sagen. Herr Architekt, sag doch mal was dazu und zu deinem Chef, dem Laner! (Ein Student:) Die ehrliche Arbeit gibt es nicht mehr. Unser Jahrhundert ist der Kolonnenverkehr, das Monopol, die Undurchsichtigkeit. Alle riefen durcheinander, jeder nahm die verschiedensten Positionen ein, und niemand wußte, wovon überhaupt gesprochen wurde. Zanetti lehnte sich vorne auf dem Podium in seine Stuhllehne zurück, verschränkte die Arme und war offenbar recht zufrieden mit dem Ergebnisder Veranstaltung. Er sah nicht aus, als lege er es jetzt noch irgendwie darauf an, Thesen zu Heidegger vorzutragen. (Wie war er nur auf Heidegger verfallen? Möglicherweise hatte es sich um einen wirklich teuflischen Trick gehandelt.) Und nun geschah etwas vollkommen Unerwartetes. Irgend jemand kam hereingelaufen, auf den zunächst überhaupt niemand achtete. Es war Grubers Bruder. Er sagte etwas, was erst keiner verstand, denn es herrschte viel zuviel Lärm im Saal. Es wurde auch keiner leiser, als er irgend etwas von Polizei und Brücke zu rufen begann, denn da ihm niemand zuhörte, hielt man es nur für einen weiteren Redebeitrag in dem allgemeinen Chaos. Hört doch einmal her, rief er, so hört mir doch zu, aber es war zwecklos. Alle fuhren damit fort, lauthals irgendwelche Dinge zu rufen. Dann hatte Gruber sich bis zu seinem Bruder und den beiden Maretschs durchgekämpft und sagte in großer Erregung, aber auch mit fast begeistertem Gesichtsausdruck, draußen stehe die Polizei, auf der anderen Talseite sei irgend etwas los, und Auer soll sich auf der Autobahn befinden, aus irgendeinem Grund, jemand will ihn dort gesehen haben. Die beiden Grubers und die Maretschgeschwister verließen daraufhin den Saal, ohne daß ihnen jemand gefolgt wäre. Draußen geschah wiederum etwas, das sie ganz und gar nicht erwartet hätten. Gasser saß nämlich dort herum. Seit den Nächten auf der Ploderburg war er nicht mehr gesehen worden, er hatte als verschwunden gegolten, auch vorhin im Saal hatten sie seine Anwesenheit nicht bemerkt,und nun saß er einfach da, auf einem Stuhl an der Wand. Allerdings befand er sich in einem denkbar schlechten Zustand. Als Maretsch ihn anredete, gab er kaum eine Antwort. Auf die Frage, wo er die ganze Zeit gewesen sei, sagte er gar nichts. Er sah sehr erschöpft und vor allem vollkommen lustlos aus, machte nur ständig irgendwelche abwehrenden Bewegungen mit der Hand und starrte sehr eigentümlich durch alle hindurch. Wenn sein Blick fester wurde, dann offenbar nur unter Aufwendung großer Kraft. Gasser wirkte, als habe er in den letzten Tagen die ganze Welt auf seine Schulter genommen und sei dann völlig unter dieser Last zusammengebrochen.

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