Klebstoff
dass er immer das Adjektiv »klein« benutzt, wenn er von nem Mädchen redet. Das ist verdammt herablassend. Aber was ihn und Viv angeht, wie gesagt, das ist deren Sache.
– Innere Angelegenheiten, grinst Billy. – Er ist ein böser Junge, aber wer ist das nich? Hier ist keiner, der behaupten kann, er hätte sich Mädchen gegenüber immer anständig benommen.
Gally nickt und räumt das ein, aber zufrieden ist die kleine Fotze nicht. Die Finger wandern wieder zum Ohrläppchen hoch.
So ein bebrillter Studententyp legt Flyer auf die Tische: ein großer, dünner, blonder Typ mit ner gold gefassten Brille auf ner Adlernase.
Es ist komisch, wie viele Deutsche unter vierzig Brillen tragen; praktisch jeder von denen. Man sollte meinen, es wären hauptsächlich die älteren von den Wichsern, so à la: »Ich hab nichts gesehn, wie auch, bei meinen Augen!« Aber nee, es sind die ganzen jungen Fotzen. Ich guck auf den Flyer, den er mir hinlegt. Er ist für ne Party, morgen Abend; derselbe, den auch dieser Rolf verteilt hat.
Ich komm mit dem Jungen ins Gespräch und spendier ihm ein Bier. Er heißt Wolfgang. Ich erzähl ihm von heut Morgen, und er meint: – Die Welt ist klein, Rolf ist mein bester Freund. Wir haben ein Haus, wo man gut abhängen kann. Du und deine Freunde sollten mit dahin kommen, und wir können alle Haschisch rauchen.
– Hört sich für mich ganz gut an, sag ich, aber Billy und Gally haben keine große Lust. Das ändert sich, als die Kneipe dichtmacht, denn unser kleiner Gally hat noch nicht genug. Billy macht ein etwas skeptisches Gesicht, ohne Zweifel denkt er an sein Lauftraining morgen früh. Gally sieht mich an und zuckt die Schultern. – Seid nett zueinander.
Wir verlassen die Kneipe, gehen die Straße runter und steigen von der U-Bahn in die S-Bahn um. Es sind ungefähr fünfundzwanzig Minuten mit diesem Zug. Nachdem wir ausgestiegen sind, geht es noch endlos weit die Straße lang. Es sieht aus, als wären wir in ner alten Stadt, die von den Vororten geschluckt worden ist. – Wohin laufen wir denn hier, Kumpel? fragt Gally und sagt dann mosernd zu mir, – wir ham ne ganz schön weite Reise gemacht, nur um irgendwann in Corstorphine zu landen.
– Nein, meint Wolfgang und läuft mit langen Schritten die Straße runter, – wir sind nicht mehr weit weg. Folgt mir … wiederholt er, – folgt mir …
Gally lacht. – Du bist ja wirklich n echter Hunne, Kollege, und dann fängt er an zu singen, – faw-low, faw-ha-low … we will fol low Wolfgang everywhere, anywhere …
Glücklicherweise scheint es fast unmöglich zu sein, diesen Wolfgang zu beleidigen. Er macht ein total ausdrucksloses Gesicht, versteht nicht die Bohne, was die kleine Fotze meint, und marschiert so schnell voran, dass wir nur mühsam Schritt halten können. Selbst Birrell, verdammte Scheiße, und der hat nun wirklich nicht so viel getrunken. Vielleicht spart er sich die Energie für den Morgenlauf auf.
Ich dachte, die Hütte wär ne winzige Wohnung. Aber wie sich rausstellt, ist es ne riesige, geräumige Vorortvilla mit großem Garten. Das Beste von allem: In einem Zimmer stehen zwei Plattenspieler, ein Mischpult und jede Menge Platten. – Komfortable Behausung, Alter.
– Ja, erklärte Wolfgang, mein Vater und meine Mutter lassen sich scheiden. Mein Vater lebt in der Schweiz und meine Mutter in Hamburg. Deswegen verkauf ich dieses Haus für sie. Nur lass ich mir Zeit dabei, ja? er grinst verschmitzt.
– Das kann ich mir denken, Meister, sagt Birrell und guckt sich schwer beeindruckt um, als wir es uns in diesem Schallplattenzimmer gemütlich gemacht haben, auf Sitzsäcken hocken und über ne Veranda mit Pflanzen auf den großen Garten hinterm Haus rausgucken.
Ich geh direkt an die Plattenspieler und spiel ein paar Sachen. Es ist eine gute Auswahl da; hauptsächlich Eurotechno-Sachen, von denen ich noch nichts gehört hab, aber auch ein oder zwei Chicago-House-Sachen und sogar ein paar alte Donna-Summer-Klassiker. Ich leg Kraftwerk auf, ne absonderliche Nummer von Trans-Euro Express .
Wolfgang sieht mir wohlwollend zu. Er macht so n paar beknackte kleine Tanzschritte, worüber Gally, der auf nem weißen Sitzsack sitzt, sich amüsiert, und Birrell grinst auch. Diesem Wolfgang geht das am Arsch vorbei. – Das ist gut. Du bist zu Haus in Schottland ein Deejay, ja?
– Der Beste, mischt sich Gally ein, N- SIGN .
Wolfgang grinst: – Auch ich lege gerne auf, aber ich bin nicht so gut. Es muss mehr von dem Auflegen …
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