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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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dämlicher, unbeholfener Lulatsch, und den nennt er Daddy. Aber so läuft das eben. Er ist derjenige, der ihm was zu Beißen gibt, und damit hat sich’s.
    – Deswegen isses immer noch nich richtig! sagt Gally, und es bricht aus ihm raus wie ein verängstigter Urschrei. Und jetzt kann ich’s Gally nachfühlen, aufrichtig nachfühlen, denn für ihn ist das das Schlimmste auf der Welt.
    – Sie wird sich schon an dich erinnern, Gally, das braucht nur seine Zeit, sag ich. Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt den Mund aufmach, ich hab keine Ahnung von so was, ich dachte bloß, so ne Bemerkung wär angebracht.
    Gally ist in ne ganz ungesunde Stimmung geraten. Es ist, als ob über seinem Kopf eine Wolke schwebte, die von Minute zu Minute düsterer wird. – Nee, die Kleine ist ohne mich besser dran. Du hast Recht, Terry. Ist doch bloß n Spermaklecks, das ist das Einzige, wozu ich je gut gewesen bin, sagt er mit ganz verzerrtem Gesicht. – War praktisch meine erste Nummer. Die mit Gail. Mit achtzehn. War froh, dass ich keine Jungfrau mehr war. So n Pech muss man erst mal haben … ich mein … ich wollte nich …
    Ich seh Terry an, der die Brauen hochzieht. Ich hab Gally noch nie so reden hören. Allerdings hatte ich mir schon gedacht, dass der Kerl in den alten Zeiten nie zum Schuss gekommen ist. Es wurd immer viel erzählt, aber das meiste davon war nur Prahlerei. Auf dem Schulhof, in der Kantine, im Pub. Nicht immer, aber oft.
    Ich fühl mich klasse. Ich will das gar nicht, ich will, dass Gally sich so fühlt wie ich. – Hört mal, die Unterhaltung wird ein bisschen deprimierend. Wir feiern ne Party! Scheiße, Gally! Du bist ein junger, fitter Kerl!
    – Ich bin ne beschissene Null, n beschissener Drogensüchtiger, schnaubt er voller Selbstekel.
    Ich guck mir sein kleines Babygesicht an und zwick ihn mit meinem Daumen und Zeigefinger in die Backe. – Dafür, dass du so nen Raubbau an deiner Gesundheit betreibst, hast du dich aber ganz gut gehalten.
    Er lässt sich immer noch nicht ablenken. – Ist ja auch alles innerlich, Alter, lacht er auf ne gepresste, blecherne Art, von der ich ne Gänsehaut kriege. Dann guckt er irgendwie nachdenklich und sagt: – Du kannst Hundescheiße von der Straße kratzen und in nen hübschen Geschenkkarton mit glitzernder Schleife drum packen, aber es bleibt trotzdem noch Hundescheiße in ner Schachtel, sagt er schroff. – Ich hab die letzte Mahnung schon bekommen, klagt er.
    – Komm schon, Gally, sag ich zu ihm, – ich hab gesagt, du siehst ganz gut aus, ich würd nicht so weit gehen, von nem hübschen Geschenkkarton mit glitzernder Schleife zu reden. Lass den Kopf nicht hängen, Alter! Denn schließlich und endlich, ich steh auf und schmeiß mich in die Pose unseres alten Blackie an der Schule, – behaupten manche, die Erziehung zu sozialem Verhalten und Vermittlung religiöser Inhalte habe keinen Platz im modernen Gesamtschulsystem. Ich teile diese plump-populistische Ansicht nicht. Denn wie kann man bei einem Bildungssystem von Gesamtheit sprechen, wenn es nicht SOZIALE Verantwortung und RELIGIÖSE Bildung einschließt?
    Endlich lacht die Fotze wieder. Billy hat alles mitgehört und kommt auf die Beine. – Komm, Gally, machen wir n kleinen Spaziergang, sagt er, und Gally steht auf. Diese Gudrun kommt zurück, und Billy tritt nen Schritt zurück und nickt Gally zu. Das muntert ihn noch mehr auf, und sie gehen zusammen weg, in den Garten.
    Wolfgang ist jetzt an den Decks und gibt nochmal Gas. Rolf schüttelt den Kopf und lacht. Aber der große Kerl hat einen Killertrack aufgelegt, und ich spüre, wie sich der kitzelnde Würgereiz von der Pille in mir ausbreitet, und wenn ich mich jetzt nicht sofort hochrapple, mach ich endgültig schlapp. Die Leute stehen von den Sitzsäcken und Stühlen auf, kommen auf die Beine und auf die Tanzfläche. Ich muss mir diese Platte auch besorgen, muss rausfinden, was das ist. Die Tanzfläche ist voll von Deutschen, die alle tanzen, alle bis auf Marcia, die, wie es so schön heißt, not amused ist. Die Deutschen sind in Ordnung, diese Nazischeiße hätte überall passieren können. Sie haben uns beigebracht, die Nazis wären Wahnsinnige, aber wahrscheinlich sind sie nicht wahnsinniger oder perverser als Liberale. Die Zeiten hatten sich bloß geändert, und die Fotzen kippten alle um. Das kann jederzeit und überall passieren. Wie ich das sehe, wird der Kapitalismus immer unberechenbar sein. Die Reichen werden mit jedem gemeinsame Sache

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