Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
vor, als hätte er sich verwandelt, ohne dass ich es bemerkt hab. Es ist der böse, kleine Affe, und er sitzt ihm direkt im Nacken. Ich seh ihn durch meinen Ecstasykater, durch meinen eigenen verdreckten Sucher, und ich kann mir nicht helfen, aber Gally sieht innerlich dreckig aus. Er sieht nicht mehr wie Gally aus.
    Woher kommt diese Reaktion bei mir?
    Ich nippe an meinem Pint und studiere sein Profil, während er ins Feuer starrt. Er ist gebrochen, er ist zerstört. Ich möchte nicht bei ihm sein, ich möchte bei Elsa sein, wieder im Bett. Während ich ihn anseh, kann ich nicht anders, als mir zu wünschen, dass sie nicht hier wären; er, Terry und Billy. Weil sie nicht hierher gehören. Ich schon. Ich gehör überallhin.

[Menü]
4 | So ungefähr 2000:
Festival-Atmosphäre

[Menü]
Fenster '00

    Menschen, die ihn gut kannten, mussten lauthals lachen, wenn er ihnen erzählte, dass er als Wachmann arbeitete. Sein alter Freund Andy Niven kicherte nach einer ungläubigen Pause immer noch. – Davie Galloway, Wachmann, sagte er zum x-ten Mal kopfschüttelnd, – ich kenn die Redensart, dass man den Bock zum Gärtner macht, aber das ist zum Totlachen.
    Nicht dass er heutzutage noch viel unter Leute ging. Davie Galloway mied Pubs und erzählte alten Freunden und Bekannten nicht gern, was er machte. Einmal nicht aufgepasst, weil der Alkohol die Zunge gelockert hat, und schon verpfeift dich irgendeiner. Das hatte sein Leben und das von denen, die von ihm abhängig waren, schon vorher kaputtgemacht. Wär er da gewesen, wär vielleicht vieles anders gekommen. Er dachte an seine Familie, die er vor so vielen Jahren zurückgelassen hatte; daran, wie ihm Susan gesagt hatte, er solle doch aus der Not ne Tugend machen und sich endgültig verpissen. Später hatte ihm seine Tochter Sheena dasselbe gesagt; sie wollte ihn nicht mehr sehen.
    Sie waren sich sehr ähnlich. Susan und Sheena; sie waren stark, und er war gleichzeitig traurig und froh darüber.
    Aber Andrew, Andrew besuchte er immer noch.
    Diesmal würd er jedenfalls nicht wegen seiner Gaunereien ins Gefängnis kommen, er versuchte nur zu arbeiten. Jetzt war’s bloß sein Job, den er verlieren würde, nicht seine Freiheit. Davie wollte nicht mehr in den Knast, er hatte schon zu viel von seinem Leben vergeudet, zu viele überbelegte, graue Zellen gesehen, angefüllt mit dem Mief und den fixen Ideen von Fremden. Jetzt hatte er Arbeit. Aus dem Bock war ein Gärtner geworden.
    Während er aus der Überwachungszentrale über die ausgedehnte Trabantenstadt schaute, überlegte Davie Galloway, dass die Monitore seine Fenster zur Welt waren, zu der düsteren, grauen Betonwelt da draußen. Monitor sechs war ihm der liebste, die Panoramakamera, die über die Wohnsilos hinaus bis über den Fluss schwenkte. Die restlichen Monitore enthüllten trostlose Unterführungen, Treppen und Hofeingänge. Die Videobänder liefen nur selten mit, denn wer würde sich schon die Mühe machen, sie sich anzusehen, wenn’s nicht gerade um Mord ging?
    Die üblichen Verdächtigen wussten das nur zu gut. Die Blagen waren rotzfrech und unverschämt. Diese Kröten standen den halben Tag einfach davor rum und zeigten den Kameras das V. Manchmal wurden sie demoliert, oft von vermummten Jugendlichen. Zwei Monitore waren blind, niemand kümmerte sich darum, die defekten Kameras zu ersetzen, an die sie angeschlossen waren. Alfie Murray, ein Ex-Alkoholiker und ergebenes Mitglied der AA , hatte mit Davie zusammen Dienst. – War Danielle heut schon drauf?
    – Nee, hast Glück.
    Danielle war eine junge Frau, die früh aufstand und sich nackt auf den Balkon stellte und für die Kamera ihres Wohnblocks posierte. Sie sagte dann immer tonlos etwas in die Kamera. Anders als Alfie war es Davie Galloway egal, ob er sie sah oder nicht. Was er sich mehr als alles andere wünschte, war, zu erfahren, was sie jeden Morgen sagte, wenn sie ihnen kühn und nur mit einem Lächeln bekleidet entgegentrat.
    Sie hatten schon erwogen, sie zu besuchen. Davie hätte sie zu gern gefragt, was sie da immer sagte. Aber das wäre unklug. Höchstwahrscheinlich würde sie sich unwissend stellen, und da die Kamerabilder normalerweise nicht aufgezeichnet wurden, außer zu den periodisch wiederkehrenden Zeiten, wenn im Gefolge eines Gewaltverbrechens ein Sturm moralischer Entrüstung losbrach, konnten sie nichts beweisen. Sie konnten das tun, was von ihnen erwartet wurde, es nämlich der Polizei melden, aber dann würde sie vielleicht damit

Weitere Kostenlose Bücher