Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
den kleinen Kühlschrank neben dem Bett. Sie sah die Silhouette seines Lockenkopfes. Was Terry anbelangte, er nahm ihre störende Anwesenheit nur aus dem Augenwinkel wahr. – Danke, sagte er ungeduldig und ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.
    Alice verließ den Raum und ging in ihr eigenes Schlafzimmer. Sie stieg aufs Bett und zog den alten Koffer vom Kleiderschrank. Sie packte ihn langsam und mit Bedacht, damit die Kleidung nicht knittern konnte, und schleppte den Koffer dann die Treppe hinunter. Sie rief eine Freundin an und bestellte anschließend ein Taxi. Während sie auf das Taxi wartete, suchte sie nach einem Stück Papier, um eine Nachricht zu schreiben. Sie fand keins, deswegen riss sie eine Packung Cornflakes auf und faltete sie nach außen. Mit ihrem Bingo-Kuli kritzelte sie eine Nachricht, die sie auf der Anrichte hinterließ.
    Lieber Terry,
    jahrelang habe ich darauf gewartet, dass du aus diesem Haus ausziehst. Als du die kleine Lucy kennen gelernt hast, dachte ich, Gott sei Dank. Aber nein, das hielt nicht. Dann diese Vivian … und wieder nichts.
    Deswegen ziehe ich jetzt aus. Behalt das Haus. Sag denen beim Wohnungsamt, ich hätte mich umgebracht. Gott weiß, dass mir oft danach war. Pass auf dich auf. Iss möglichst auch viel Gemüse, nicht nur Dosenfraß. Die Müllabfuhr kommt dienstags und freitags.
    Mach’s gut,
    In Liebe, Ma.
    PS : Such nicht nach mir.
    An diesem Morgen wurde Terry vom Frühstücksfernsehen geweckt. Diese Denise Van Ball. Boah, Alter, geil. Bei der könnte man schwach werden. Sie war ständig im Fernsehen; Gladiators, Holiday … der ganze Scheiß. Die brachte ganz schön Geld nach Haus. Allerdings hätte sie sich nie die Haare färben sollen; ihm war blond lieber. Wie es aussah, hatte sie in letzter Zeit n bisschen mehr auf die Rippen gekriegt. Aber das mit dem Haar müsste rückgängig gemacht werden. Gentlemen bevorzugten Blondinen, dachte er selbstgefällig. Er und Rod Stewart zum Beispiel. Dieser Johnny Vaughan war zwar okay, aber den Job könnte jeder machen, überlegte er. Allerdings scheiße, so früh am Morgen aufstehen zu müssen. Früh aufstehen und alle mit Gewäsch einseifen. Das war genau wie damals, als er noch aufm Getränkewagen arbeitete! Heute natürlich nich mehr. Nix zu machen. Terry versuchte seine Mutter übers Handy zu erreichen, weil er Tee und Toast wollte. Ein gekochtes Ei wär auch mal ne Idee. Das Telefon unten klingelte, zweimal, dreimal, aber keine Reaktion. Das alte Mädchen war wohl einkaufen.
    Er stand auf, schlang ein Badetuch um seine schwammigen Hüften und ging nach unten, wo er den Zettel fand. Mit der einen Hand hielt er das Badetuch, in der anderen hatte er den Zettel und starrte ihn ungläubig an.
    Jetzt ist sie endgültig ausgerastet, sagte er sich.
    Terry sah sich zum Handeln genötigt. Er musste Lebensmittel kaufen. Draußen war es saukalt, und Terry war noch nie ein Morgenmensch gewesen. Die Kälte drang durch sein verwaschenes, fadenscheiniges »Smile If You Feel Sexy«-T-Shirt. Der Sommer war bislang ein echter Skandal gewesen: Es war August, und es kam einem wie November vor. Auf die Läden hier in der Nähe war geschissen, er würd nen flotten Spaziergang machen. Da ging’s nach Stenhouse, dort nach Sighthill. Sighthill, beschloss er, und stahl sich die Straße runter in Richtung der großen Etagenwohnungen. Er hatte noch nie was gegen Sighthill gehabt, im Gegenteil, es hatte ihm immer gefallen.
    Aber an diesem Morgen ging es ihm gehörig auf die Nerven. Als er unter der Schnellstraße durchging und in die Einkaufspassage schlenderte, kam es ihm vor, als säh er sein Viertel mit den Augen so ner verwöhnten Privatschulschwuchtel, die von sozialem Engagement strotzende Gelegenheitsartikel für irgendwelche linken Blätter verfasste. Überall Hundescheiße, zerbrochenes Glas, Wandschmierereien, valiumbetäubte junge Mütter, die Buggys mit kreischenden Babys vor sich herschoben, mit ihrem billigen »Purple Tin« versorgte Penner und angeödet aussehende Jugendliche, die auf der Suche nach Pillen und Pulvern waren. Terry fragte sich, ob es daran lag, dass er deprimiert war, oder daran, dass er schon so lange nicht mehr selbst einkaufen gewesen war.
    Was zum Henker war in das alte Mädchen gefahren? grübelte er. In letzter Zeit war sie n bisschen wunderlich gewesen, aber sie war ja jetzt auch Mitte fünfzig, und Terry hatte es darauf geschoben, dass das halt n kritisches Alter für Frauen war.
EINMAL FRINGE CLUB
    Rab Birrell

Weitere Kostenlose Bücher