Klebstoff
stieg mit eingezogenem Kopf aus dem Taxi und lief dann in beinahe der gleichen Haltung das kurze Stückchen von der Bordsteinkante bis zum Eingang des Fringe Clubs. Er kam sich vor wie n Alkoholiker, der in nen Schnapsladen schleicht. Wenn hier einer vorbeikäm, der ihn kannte … als ob das möglich wär. Aber heutzutage konnten die Jungs an allen möglichen Orten auftauchen. An allem war nur die unheilige Verbindung von Acid House und Fußball-Hools Schuld. Dadurch hatte man’s heute mit ner Klasse gut informierter, ganz normaler Jungs aus m Leben zu tun, die sich unerklärlicherweise immer dort blicken ließen, wo man sie am wenigsten erwartete, und für gewöhnlich kräftig auf die Kacke hauten. Birrell kam die kuriose Vorstellung, der Fringe Club könnte voll von solchen Jungs sein, lauter heimlichen Kunstliebhabern. Rab verstand zwar wenig von Kunst, aber er liebte die Festival-Atmosphäre, die Art, wie die Stadt dann brummte.
Sein Mitbewohner Andy folgte ihm in den Club. Rab zückte kurz die beiden Mitgliedsausweise, an die er über seinen Bruder Billy rangekommen war. Außerdem hatte sein Bruder es geschafft, ihm zwei Karten für die Preview von nem Film zu besorgen, der ihnen beiden gut gefallen hatte. Rab Birrell sah sich unter der anwesenden Londoner Medien- und Kunstszene um. Diese Fotzen hatten sogar für die Dauer des Festivals Zweigstellen ihrer eigenen Clubs aufgemacht, damit sie die ganzen drei Wochen durchstehen konnten, ohne Gefahr zu laufen, versehentlich den Wichsern von der Seite weichen zu müssen, gegen die sie während der restlichen Zeit des Jahres unentwegt stänkerten. Birrell fand es ätzend, dass es in der Regel diese Sorte Menschen war, die entschied, was man las, hörte oder sah. Er warf kritische, prüfende Blicke um sich. Als so was wie ein Connaisseur des Klassenkampfs empfand er eine perverse Befriedigung, wenn er ein gewisses Aussehen, eine Geste, eine Bemerkung oder einen Akzent entdeckte, der seine Erwartung bestätigte.
Andy bemerkte seinen verächtlichen Blick und schnitt eine Grimasse. – Regen Sie sich ab, Mr. Birrell.
– Du fühlst dich hier natürlich wie zu Haus, du warst ja auf der Edinburgh Academy, zog ihn Rab auf, während er zwei gut aussehende Frauen an der Theke erspähte.
– Genau. Deswegen ist es für mich noch viel schlimmer. Ich musste mit Fotzen wie denen zur Schule gehn, erwiderte Andy.
– Gut, dann solltest du auch besser in der Lage sein, dich mit ihnen zu verständigen. Also hol du die Drinks und geh dann zu den beiden Perlen da und fang n Gespräch an.
Andy hob fügsam den Blick, und Rab wollte gerade Platz machen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. – Ich wusste gar nicht, dass sie hier auch Asseln reinlassen, grinste ihn eine riesige Gestalt an. Rab war einsfünfundachtzig, aber gegen diesen Riesen von Mann kam er sich wie ein Zwerg vor. Der andere bestand nur aus Muskeln, ohne ein Gramm Fett am Leib.
– Heilige Scheiße, Lexo. Wie geht’s dir, Alter? grinste Rab.
– Nich übel. Komm mit rüber und trink n Glas Champagner mit, sagte Lexo und zeigte auf eine Nische, in der Rab nen schwul aussehenden Typ und zwei Frauen entdeckte, eine in den Zwanzigern, eine in den Dreißigern. – Die Pfeifen da sind von ner Fernsehproduktion. Sie machen ne Dokumentation über Hooligans und ham mich als technischen Berater engagiert.
Rab betrachtete anerkennend die Paul-and-Shark-Windjacke, die Lexo trug. Es war eine von diesen Wendejacken, die früher ganz gute Dienste bei Gegenüberstellungen geleistet hatten. Er erinnerte sich noch an manchen Auftritt des Strafverteidigers Conrad Donaldson: – Sie sagten, einer der Beschuldigten trug eine rote Jacke, dann war sie wieder schwarz. Ein weiterer hingegen hatte eine schwarze Jacke, die auf wunderbare Weise blau wurde. Sie haben eingeräumt, Alkohol getrunken zu haben. Hatten Sie an diesem Nachmittag auch noch andere Rauschmittel zu sich genommen?
Die Staatsanwaltschaft erhob dann Einspruch und dem wurde stattgegeben, aber dann war es schon passiert. Lexo und Ghostie bestanden immer darauf, dass die Jungs, die mit ihnen kamen, gut gekleidet waren. Er erinnerte sich noch, wie sie zwei renommierte Krawallbrüder nach Haus geschickt hatten, bloß weil sie Jeans und Jacken von Tommy Hilfiger (»Asi Hilfiger«) trugen.
– Ich lass mich lieber platt hauen als in so was rumzulaufen, hatte Ghostie behauptet. – Man muss n gewisses Niveau halten. So kannste rumlaufen, wenn du aus Dundee oder so
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