Klebstoff
essen, sagte Kathryn.
– Das ist für dich , erklärte er ihr und versuchte die Schärfe in seiner Stimme mit einschmeichelnder Beschwichtigung zu bemänteln, was völlig misslang.
– Will ich nicht.
– Versuch es doch, Baby, bitte. Tu es mir zuliebe, flehte er und zeigte auf sich.
Aber Kathryn Joyner war meilenweit entfernt. Sie nahm kaum war, wie ihr langjähriger Freund und Manager Mitchell Franklin Delaney Jr. das Zimmer verließ.
SCHWÄNZE RAUS FÜR DIE MÄDCHEN
– Schwänze raus für die Mädchen, brüllte Lisa die beiden nach Studenten aussehenden jungen Männer an, die an ihrem Zugabteil vorbeikamen. Einer von den Jungs wurde rot, aber der andere grinste sie an. Angie und Shelagh kicherten, als ihre Opfer in den nächsten Wagen gingen. Charlene, die jünger als die anderen drei war, rang sich ein knappes Grinsen ab. Sie machten immer Witze über die »Kleine Charlene« und was für einen schlechten Einfluss sie auf sie ausübten. Charlene überlegte, dass die drei wohl auf jeden einen schlechten Einfluss hätten.
– Das sind doch nur blöde Milchbubis, sagte Angie, schüttelte den Kopf und schleuderte eine Mähne brauner Locken zurück. Ihr breites, rundes Gesicht unter dem dicken Make-up, ihre großen Hände mit den absurd langen, rotgelben Kunstnägeln, die sie sich in Ibiza hatte machen lassen. Bei ihr kam sich Charlene wie ein Kind vor, und manchmal wollte sie sich einfach in den Schutz dieser riesigen Brüste verkriechen, die schon zehn Minuten vorher anzukommen schienen, wenn ihre Freundin einen Raum betrat.
Lisa stand auf, als Angie und Shelagh einen Trommelwirbel improvisierten. – Du willst den kleinen Scheißern doch wohl nich nachrennen, oder? Du bist ne verdammte Babyfickerin, Herzchen, spottete Shelagh.
Shelagh, lang und schlaksig, mit kurzem, stachligem, wasserstoffblondem Haar, so dünn und fein wie alles andere an ihr. Aß und trank wie ein Fisch und blieb trotzdem dünn wie n Kleiderbügel. Fluchte und schimpfte und soff die wildesten Kampftrinker unter den Tisch. Angie konnte es nicht ab, dass die anderen alles essen und trinken konnten, während sie eine Packung Chips nur anzusehen brauchte, damit es sich auf der Waage bemerkbar machte.
– Einen Scheiß will ich, sagte Lisa, aber mit einem verschmitzten Nicken, – ich geh bloß auf n Pott, eine qualmen, und entfernte sich mit übertriebenem Hüftschwung, ein Model auf dem Laufsteg parodierend. Sie sah sich nochmal kurz nach ihren Freundinnen um, ob sie reagierten, und bewunderte deren mediterrane Bräune, wie gut man darin aussah und wie gut man sich fühlte. Das war das Hautkrebsrisiko wert, und auch, dass man ab Mitte Dreißig wie ne ausgetrocknete, alte Backpflaume aussah. Darüber würde sie sich den Kopf zerbrechen, wenn’s so weit war.
Angie zwinkerte Charlene zu. – Aye, eher noch n bisschen frischen Lipgloss, oder, rief sie Lisa nach. Dann wandte sie sich an Shelagh und Charlene und fragte: – Meint ihr, das verkommene Stück will den kleinen Mann im Boot schaukeln gehen?
– Aye, das wird noch lange dauern, bis sie nach Ibiza wieder runter auf die Erde kommt. Dreckiges Luder, lachte Shelagh.
Charlene spürte bei dem Gedanken, dass nun alles zu Ende ging, einen kleinen Stich in der Brust. Nicht so sehr, weil der Urlaub vorbei war, oder gar, weil man wieder zur Arbeit musste: Es gab mehr als genug Geschichten zu erzählen, um das eine Weile erträglich zu machen. Es war nur, weil sie nun nicht mehr jeden Tag zusammen sein würden. Das würde sie vermissen, sie würde sie vermissen. Besonders Lisa. Das Komische war, dass Charlene sie schon seit wer weiß wann kannte. Sie hatten zusammen beim Nahverkehrsamt der Stadtverwaltung gearbeitet. Damals hatte Lisa nie richtig mit ihr gesprochen, und Charlene hatte geglaubt, ein bisschen zu jung und zu uncool für sie zu sein. Aber dann hatte Lisa alles hingeschmissen und war nach Indien gefahren. Erst letztes Jahr, als sie nach Edinburgh zurückgekommen war und Charlene sich mit Lisas alten Freundinnen Angie und Shelagh zusammengetan hatte, hatten sie sich angefreundet. Charlene hatte geglaubt, Lisa würde Schwierigkeiten haben, sie zu akzeptieren. Das Gegenteil war der Fall, und sie wurden bald enge Freundinnen. Lisa war schon ein Geschoss. – Aye, sie meinte, dass sie heut Abend ausgehn will, weil das Festival läuft, sagte Charlene.
– Nee, danke, ich geh ins Bett, sagt Shelagh und rieb sich ein Körnchen Schlaf aus dem Augenwinkel.
– Allein? stichelte
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