Klebstoff
verlegen an sich rumzupften, ehe Lisa lässig einwarf: – Dann wär’s aber kein Bridie von Gregg’s gewesen.
Das Lachen war zu laut, um fröhlich zu klingen, aber genau richtig, um befreiend zu wirken. Zu diesem Zeitpunkt begannen sich in Lisas beschwipstem Kopf verworrene, abartige Gedanken über Charlene und ihren Vater zu formen.
Lisa sah in Charlenes dunkle Augen. Sie waren leer und eingesunken, so wie die von Shelagh und Angie und, ja, auch ihre eigenen, als sie sie auf der Toilette begutachtet hatte. Warum sollten sie auch nicht, sie hatten im Urlaub gut was weggeschädelt. Aber die von Charlene waren anders, sie sahen mehr als nur ein bisschen gehetzt aus. Das ängstigte und beunruhigte sie.
PLATTENFIRMA
Franklin Delaney saß mit Colin Taylor in einem belebten Bar-Café an der Market Street in Edinburgh. Dessen Innenausstattung war nicht nach seinem Geschmack: ein eintöniger, zwanghaft trendiger Laden, wie er in jedem angesagten Stadtteil einer westlichen Metropole anzutreffen war. – Kathryn bringt mich noch um den Verstand, gestand er.
Franklin bedauerte dieses Geständnis im gleichen Moment, in dem er es aussprach. Taylor war ein gewinnorientierter Mann und nicht eben mitfühlend gegenüber seinen Mitmenschen. Seine Kleidung sah teuer aus, wirkte aber zu makellos und ungetragen, um an einem echten Menschen zu sitzen. Er war wie eine Schaufensterpuppe, und sein Outfit wies ihn als vorgestanzten, nichts sagenden, firmentreuen Angestellten aus. Seine Stimme war allerdings echt genug. – Sie muss was essen, sonst kippt sie uns noch um, er schüttelte träge den Kopf. – Warum kann sie uns allen nicht einen Gefallen tun und eine Überdosis nehmen?
Kathryn Joyners Manager musterte den Vertreter ihrer Plattenfirma mit strengem Blick. Man wusste nie, wann dieser beschissene Engländer einen aufzog. Er hatte versucht, mit dieser britischen Manie für Ironie und Sarkasmus zurechtzukommen, aber ohne großen Erfolg.
Aber Taylor zog ihn nicht auf. – Mir steht’s bis hier. Wenn sie abnippelt, würden wir wenigstens noch ein paar Alben absetzen. Ich hab die Nase voll von dieser Primadonna, schimpfte er und betrachtete missbilligend den Salat, den die Kellnerin vor ihn hingestellt hatte. Er hatte gesund essen wollen, aber das hier machte keinen sehr appetitanregenden Eindruck. Franklins Steak sah viel besser aus, nicht dass der Scheißami das bemerkt hatte, so wie er daran gewöhnt war, sich über die Qualität des englischen Essens zu beschweren. Taylor sann über Delaney nach. Er hatte noch nie was für Amerikaner übrig gehabt. Die meisten, die er kennen gelernt hatte, waren homogenisierte Wichser, für die immer alles sein musste wie in den USA .
– Sie ist immer noch die beste weiße Sängerin der Welt, Franklin spürte seine Stimme schrill werden, wie immer, wenn er in der Defensive war. Er war nicht auf Taylor angewiesen. Der Kerl war mit jeder anderen Plattenfirmenschwuchtel austauschbar, der er bislang begegnet war. Was immer die verrückte Kuh für Probleme machte, er sollte gefälligst verfickten Respekt vor ihrem Talent haben. Es hatte der Plattenfirma dieses Arschlochs genug Kohle und ihm genug Renommee eingebracht. Auch wenn das jetzt zugegebenermaßen schon eine Weile her war.
– Yeah, klar, sagte Taylor achselzuckend. – Ich wünschte nur, die Verkaufszahlen würden das bestätigen.
– Auf dem neuen Album sind ein paar großartige Songs, aber es war ein Fehler, zuerst Betrayed by You auszukoppeln. Diese Single hatte keinerlei Chance, im Radio gespielt zu werden. Mys tery Woman wär die ideale Wahl für die erste Singleauskopplung gewesen. Das war auch die, die sie haben wollte.
– Diese Diskussion hatten wir schon, Franklin, so oft, dass ich schon nicht mehr mitzähle … sagte Taylor angeödet, – und Sie wissen so gut wie ich, dass ihre Stimme genauso im Arsch ist wie ihr Verstand. Man kann sie auf dem neuen Album ja kaum hören, also musste jede Single, die wir davon machten, von vorn bis hinten Scheiße werden.
Franklin fühlte, wie die Wut in ihm hochkam. Er kaute auf seinem blutigen Steak und biss sich zu seinem großen Schmerz und Ärger kräftig auf die Zunge. Er litt stumm, während ihm Tränen in die Augen traten und seine Wangen sich röteten. Sein Blut mischte sich in seinem Mund mit dem der Kuh, und er hatte das Gefühl, sein eigenes Gesicht aufzuessen.
Taylor interpretierte sein Schweigen als Zustimmung. – Sie ist noch für ein weiteres Album bei uns unter
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