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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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dazu brachte, ein Feuer aufzuschichten. Seine Feuer waren große, bedeutsame Angelegenheiten voller pompöser Rituale und Zeremonien. Die erleuchteten das gesamte beschissene Outback und so, sandten schimmernde Lichter empor, schlugen Schneisen in die Dunkelheit der Wüste. Ich denk an unsere alte Siedlung und was Birrell dazu gesagt hätte. Liebte ein gutes Lagerfeuer, die Fotze. Aye, Breath verstand es, Feuer aufzuschichten und schüchterne, verwirrte kleine Mädchen dazu zu bringen, ihre Sachen auszuziehen und vor ihm zu tanzen, bevor es ab in sein Zelt ging.
    Die Fotze zu schlagen war ein befriedigendes Erlebnis, die Schadenfreude bei dem Ganzen. Wer hatte das nochmal gesagt? Der kleine Gally. Im Deutschunterricht.
    Aber scheiß auf Breath. Ich hab Helena dort kennen gelernt. Sie nahm Fotos auf, ich nahm ihre Hand. Als sie ihr Foto hatte, ließen wir all das hinter uns. Wir stiegen in ihren alten Jeep und fuhren weg. Wir hatten den Freiraum, uns um nichts zu scheren. Immer den Freiraum.
    Allein ihr Gesicht, die Konzentration darin zu beobachten, während sie uns durch die Wüste kutschierte. Ich bin sogar selbst weite Strecken gefahren, obwohl ich nie zuvor hinterm Lenkrad eines Autos gesessen hatte.
    Man reist dahin und sieht das alles, diesen weiten Raum, die Unabhängigkeit. Und dann sieht man, wie uns der Raum, wie uns die Zeit ausgeht.

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Edinburgh, Schottland
15.37 Uhr
ABSCHAUM
    Lisa hatte versucht, alle zum Ausgehen zu überreden, aber keiner wollte mit. Charlene war drauf und dran gewesen, mitzugehen, entschloss sich aber, direkt zu ihrer Mutter zu fahren. Im Taxi spielte sie nochmal durch, was sie ihrer Mutter über den Urlaub erzählen würde und was nicht.
    Als sie reinkam, brach für sie die Welt zusammen. Er war da.
    Er war zurückgekommen .
    Dieses widerliche Stück saß da einfach so im Sessel neben dem Kamin.
    – Na, alles klar? sagte er mit einem Ausdruck von selbstgefälligem Trotz im Gesicht. Er machte nicht mal den Versuch, bühnenreife Reue darüber zu inszenieren, dass er auf diese jämmerliche, rückgratlose, hundserbärmliche Art zurück ins Leben der beiden kroch. Er setzte mittlerweile so sehr auf die Schwäche ihrer Mutter, dass er meinte, es nicht mehr nötig zu haben, sein arrogantes, falsches Wesen zu verbergen.
    Alles, was Charlene denken konnte, war: Ich hab das Taxi weg fahren lassen . Trotzdem nahm sie ihr Gepäck, drehte sich auf dem Absatz um und verließ wieder das Haus. Sie hörte, wie ihre Mutter im Hintergrund etwas sagte, etwas Dummes, Schwaches und Halbherziges, und wie es bei einem Laut erstarb, der von ihrem Vater kam und klang wie ein sich knarrend öffnender Sarg.
    So kalt war es nicht, aber nach Ibiza ging ihr der kühle Wind durch und durch, und dazu der Schock, ihn wiederzusehen. In wütender Resignation wurde ihr bewusst, dass der Schock zwar groß war, dass es sie aber nicht wirklich überrascht hatte. Charlene schritt entschlossen aus, war sich jedoch nicht bewusst, wohin sie ging. Glücklicherweise stadteinwärts.
    Du verdammte, blöde, schwache, dumme Kuh.
    Warum?
    Warum zum Teufel hatte sie
    Sie machte sich auf den Weg zu Lisa.
    Im Bus empfand Charlene ein wachsendes Verlustgefühl, dass sie sich selbst immer mehr zusammenzog, bis auch die letzte Atemluft aus ihr herausgepresst war. Sie betrachtete den noch jungen Mann, der ihr schräg gegenübersaß und ein Baby auf seinen Knien hüpfen ließ. Seinen nachsichtigen Gesichtsausdruck. Wieder zog sich etwas in ihr zusammen, und sie wandte den Blick ab.
    Draußen auf dem Bürgersteig schob eine Frau einen Buggy vor sich her. Eine Frau. Eine Mutter.
    Warum hatte sie ihn wieder aufgenommen?
    Weil sie nicht damit aufhören konnte. Sie würde nicht damit aufhören, sie würde nicht damit aufhören können , bis er sie umgebracht hatte. Und dann würde er neben ihrem Grab knien, um Vergebung winseln und sagen, dass er diesmal zu weit gegangen wäre, dass er es wüsste und es ihm so Leid, so wahnsinnig Leid täte …
    Dann würde ihr beschissener Geist sich aus dem Grab erheben und mit der verdrehten, beschränkten Liebe einer Schwachsinnigen auf ihn niederblicken und mit ausgestreckten Armen sanft blöken: – Schon gut, Keith … schon gut …
    Charlene war unterwegs zu Lisa. Sie musste Lisa sehen. Sie hatten schon zusammen getrunken, rumgealbert, Pillen geworfen und sich Schwester genannt. Aber sie standen sich sehr viel näher. Lisa war alles, was sie noch hatte.
    Es lag nicht daran, akzeptieren zu müssen,

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