Klebstoff
dass sie ihren Vater abgeschrieben hatte, das war schon vor langer Zeit geschehen. Aber Charlene wurde langsam klar, dass sie das Gleiche nun mit ihrer Mutter getan hatte.
DAS TRIKOT-DEBAKEL
Rab Birrell fuhr vorsichtig mit dem Rasierer über seine Gesichtskonturen. Ihm fiel auf, dass ein paar der Haare auf seinem Kinn weiß wurden. Während er schicksalsergeben überlegte, dass er und der Typ Mädchen, den er bevorzugte (d. h.: jung und schlank), schon bald in verschiedenen sexuellen Ligen spielen würden, unterzog sich Rab einer methodischen, gründlichen Rasur.
Die Liebe war Rab schon mehrmals durch die Finger geglitten, das letzte and traumatischste Mal vor wenigen Monaten. Vielleicht war es das, was er wirklich wollte, überlegte er. Joanne und er: nach sechs Jahren Schluss gemacht. Schluss gemacht. Sie hatte ihn beiseite gestoßen und war weitergezogen. Alles, was sie gewollt hatte, war ein bisschen Sex, ein bisschen Zuneigung und, naja, nicht direkt Ehrgeiz, dafür war sie viel zu cool, aber wenigstens Elan. Stattdessen hatte er gezögert, war in einen Trott verfallen und hatte zugelassen, dass ihre Beziehung stagnierte und vergammelte wie Lebensmittel, die man nicht in den Kühlschrank getan hatte.
Als er ihr und ihrem neuen Freund letzte Woche in einem Club über den Weg gelaufen war, hatte er eine trockene Kehle bekommen. Sie hatten gelächelt und sich alle höflich die Hand geschüttelt, aber etwas in ihm verbog sich dabei. Er hatte sie noch nie so schön und so voller Leben gesehen.
Die Fotze, die bei ihr war: Er hätte dem Wichser am liebsten den Kopf abgerissen und in den Arsch gestopft.
Rab trocknete sich das Gesicht ab. Das war etwas, was er und sein Bruder Billy gemeinsam hatten, Pech in der Liebe. Rab ging ins Schlafzimmer und zog sich ein grünes Lacoste-Hemd an. Es klopfte an der Tür.
Rab ging aufmachen und sah seine Eltern vor sich stehen. Sie blieben einen Moment mit offenem Mund stehen wie aller Selbstständigkeit beraubte Pauschaltouristen, die gerade aus dem Bus gestiegen waren und nun auf einen Reiseleiter warteten, der ihnen sagte, wie’s weiterging.
Rab trat beiseite. – Kommt rein.
– Wir sind grad auf dem Weg zu Vi, sagte seine Mutter Sandra, als sie über die Schwelle trat und sich dabei vorsichtig umblickte.
Rab war leicht irritiert. Seine Ma und sein Dad waren noch nie in seiner Wohnung gewesen. – Wir dachten, wir gucken uns mal die neue Bude an, lachte Wullie.
– Ich wohn schon seit zwei Jahren hier, sagte Rab.
– Jesses, ist das schon so lange her? Wie die Zeit verfliegt, sagte Wullie und entfernte einen Klecks Rasierschaum aus dem Ohr seines Sohnes. – Schlampiger Aufzug, Sohn, tadelte er.
Rab fühlte sich von der zwanglosen Vertraulichkeit seines Vaters gleichermaßen überfahren wie beruhigt. Sie folgten ihm ins Wohnzimmer. – Isst du auch ordentlich, jetzt wo deine Frau weg ist? fragte Sandra, während sie ihren Sohn prüfend musterte.
– Sie war nicht meine Frau.
– Sechs Jahre dieselbe Wohnung teilen, dasselbe Bett, das heißt für mich Mann und Frau, sagte Sandra energisch, während Rab spürte, wie er sich versteifte.
Wullie grinste hilfsbereit: – Zumindest zur linken Hand, Junge.
Rab sah zu der Uhr an der Wand. – Ich mach euch ne Tasse Tee, allerdings war ich grad auf dem Weg nach draußen. Ich will zur Easter Road, heut Abend ist n Spiel.
– Ich muss mal für kleine Mädchen, Junge, sagte Sandra.
Rab begleitete sie in den Flur und wies auf eine Tür mit geriffeltem Glas, während Wullie sich dankbar auf die Couch setzte.
– Wenn du zum Spiel gehst, kannste doch das Trikot anziehen, das deine Ma dir zu Weihnachten geschenkt hat, das neongrüne Auswärtstrikot, drängte er auffordernd.
– Äh, nee, irgendwann mal, aber heut hab ich’s echt eilig, entgegnete Rab hastig. Dieses Trikot war grauenhaft.
Sandra hatte diesen Wortwechsel mitgehört, war stehen geblieben und – ohne das Rab es mitbekommen hatte – wieder an die Tür gekommen. – Er wird das nie tragen, es gefällt ihm nicht … sagte sie anklagend, und Tränen traten ihr in die Augen. Während sie auf dem Absatz kehrt machte und auf Rabs Toilette zuging, fügte sie hinzu, – anscheinend kann ich nie was richtig machen …
Wullie stand auf, packte Rab am Arm und zog seinen geschockten Sohn dicht zu sich. – Hör mal, Junge, flüsterte er drängend, – deiner Ma geht’s nich gut … seit sie wegen der Ausschabung im Krankenhaus war, hat sie verdammt nah am Wasser gebaut,
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