Klebstoff

die Augen aus dem Kopf, wenn sie reinkommt. Ich halt nicht viel von ihr, aber sie ist ein echter Schuss. Und Lawson ein verdammter Glückspilz.
    Terry zwinkert mir über Lucys Schulter zu. Er geht kopfschüttelnd auf die andere Straßenseite und brabbelt vor sich hin: – Ich geh hier rüber, ich halt mich da raus, ich sag nichts …
    – Dass ich das noch erleben darf, pruste ich und hoffe, dass Lucy drüber lachen kann, tut sie aber nicht. Also räuspere ich mich und mache das, was mein Alter mir geraten hat, wenn man in Verhandlungen unter Druck gerät und die andern bescheißen muss. Guck auf ihren Nasenrücken, genau zwischen die Augen. Konzentrier dich darauf. Sie denken dann, du würdest ihnen in die Augen sehen, obwohl du’s nicht tust. – Um ehrlich zu sein, Lucy, fang ich an und weiß sofort, dass das ein Fehler war. Man sagt nie »um ehrlich zu sein«, weil das gleich durchblicken lässt, dass man lügt. Mein Vater hat mir beigebracht, wie Gewerkschaftler verhandeln. Ich red trotzdem weiter. – Ich wünschte ja, er wär mit nem Mädchen von unserer Schule abgehauen.
    – Was zum Teufel soll das heißen? Ihre hinreißenden, großen Augen verengen sich zu hasserfüllten Schlitzen.
    – Tja, dann hätten wir uns nicht länger sein ewiges Gerede über dich anhören müssen. Ständig Lucy hier und Lucy da, und wenn wir erst mal heiraten …
    Sie schaut über die Straße zu Terry, der kopfschüttelnd dasteht und verletzt und traurig guckt. Dann sieht sie wieder mich an.
    – Ehrlich … das hat er gesagt?
    – Ja, Tatsache.
    Sie starrte mich nen Moment lang prüfend an, und wenn sie ein bisschen länger hingesehen hätte, hätt sie gemerkt, dass ich ihr Scheiße erzähle. Aber sie guckt wieder zu Terry rüber. Ich wollte angesichts ihrer großen, traurigen, wunderschönen Augen sagen: Nee, Lucy, Terry ist ne Fotze. Er behandelt dich wie Scheiße und verarscht dich bloß. Aber ich liebe dich. Ich werd dich gut behandeln. Lass mich nur mit zu dir kommen und dir das Gehirn aus dem Leib ficken.
    Man kann sich schwer vorstellen, dass jemand wie Sabrina so leichtgläubig sein und sich so erniedrigen lassen würde. Aber man sagt nicht umsonst, dass Liebe blind macht, und man merkt, dass sie ihn höchstwahrscheinlich liebt, die arme, blöde Kuh. Oder ihn zumindest so sehr mag, dass sie das für Liebe hält, läuft ja auf dasselbe raus.
    Sie geht zu ihm auf die andere Straßenseite und versucht sich bei ihm unterzuhaken. Aber er dreht sich eiskalt weg und hebt die Arme, damit sie sie nicht zu fassen kriegt. Er schüttelt sie ab und kommt zu mir rüber, während sie ihm tränenüberströmt nachrennt. Terry schimpft vor sich hin: – Vertrauen! … man muss Vertrauen haben, wenn man fest mit jemand geht! Wenn man verlobt ist!
    – … Terry … nicht … hör doch mal … ich wollte doch nicht …
    – Ich hab zu allem Ja und Amen gesagt! Das kränkt mich am meisten! Ich hab versprochen, nich mehr zum Fußball zu gehen! Ich hab versprochen, mir nen anderen Job zu suchen, obwohl mir der gefällt, den ich hab! Ich hab versprochen, ich würd versuchen n bisschen was anzusparn!
    – Terry …
    Terry schlägt sich vor die Brust. – Ich bin derjenige, der immer nur Zugeständnisse macht, und jetzt das! Ich soll mit nem Mädchen abgehaun sein, das ich noch nie im Leben gesehn hab!
    – Ich will dir doch grad sagen … versucht Lucy auch mal ein Wort einzuschieben, aber mittlerweile müsste sie wissen, dass man Terry nicht stoppen kann, wenn er einmal in Fahrt ist.
    Der Wichser bekommt so ein irres Leuchten in den Augen.
    – Vielleicht sollte ich wirklich mit andern Mädchen weggehn, wenn ich sowieso für was bestraft werd, was ich nich gemacht hab. Da kann ich es ja auch wirklich machen, sagt er und wird ganz starr. Dann sieht er mich an. – Da kann ich’s auch wirklich machen, was, Carl?
    Er dehnt das wirklichhhh zu einem lang gezogenen Zischeln. Ich sag nichts dazu, aber Lucy fleht ihn jetzt an. – Es tut mir Leid, Terry, es tut mir Leid … Terry unterbricht sich abrupt. – Aber das werd ich nich. Und weißt du, warum? Lucy starrt ihn mit großen Augen und offenem Mund an, geschockt und erwartungsvoll.
    – Weißte, warum? Weißtes? Weißte, warum? Sie versucht sich drüber klar zu werden, was die Fotze meint.
    – Willste das wissen? Willste wissen, warum nich? He? He? Willstes wissen?
    Sie nickt langsam. Ein paar Jungs gehen vorbei und lachen. Einer fängt meinen Blick auf, und ich kann mir ein kleines Grinsen nicht