Kleider machen Bräute
Bruchteil einer Sekunde, bevor sie umgekippt wäre.
»Helfen Sie mir!«, schrie er.
Pascal musste sich mit dem Rücken dich an den Türeingang pressen, als die Kühe an ihm vorbei nach draußen trabten.
»Vorsicht!«, keuchte Molly, als Simon den Halt verlor und stolperte. Im letzten Moment stützte er sich mit einer verdreckten Hand auf dem Kleidersack ab. »Nicht! Sie ruinieren das Kleid!«
»Ach, tatsächlich?«
Die Kühe waren weg. Nur das schwächer werdende Bimmeln der Glocken und das Stampfen ihrer Hufe war zu hören, als die Kühe möglichst viel Distanz zwischen sich und die Eindringlinge brachten.
»Wäre es Ihnen lieber gewesen, ich wäre kopfüber in die Kuhscheiße gefallen?«
Niedergeschlagen betrachtete Molly den dreckverschmierten Kleidersack. Bitte, bitte, lass ihn absolut wasserdicht sein, betete sie innerlich.
»Ungelogen?« Sie schnitt ihm eine Grimasse. »Ja.«
Keuchend starrten sie sich wütend an. Molly bekämpf te den dringenden Wunsch, ihn anzuschreien. Wie hatte es nur zu alldem kommen können?
Simon winkte ab. »Ich werde es abwischen.«
»Woher wollen Sie wissen, dass der Sack nicht eingerissen ist? Das Kleid Flecke bekommen hat? Weiß der Himmel, was alles durch den Reißverschluss hätte sickern können.«
Simon stemmte die Hände in die Hüften. »Danke der Nachfrage, aber es geht mir gut. Habe mir bei der Ret tung dieses Teils zwar fast das Genick gebrochen, aber …«
»Sie haben ja keine Ahnung, wie viel mir dieses Kleid bedeutet!«
»Es ist ein Kleid, Molly! Ein verdammtes Kleid«, schrie er. »Wenn Ihnen etwas so Simples wie ein Kleid so viel bedeutet, sollten Sie mal Ihre Werte hinterfragen.«
»Was haben Sie gerade gesagt?« Molly fiel die Kinnlade herunter.
Sie war sprachlos, und damit Simon nicht sah, wie sie vor Wut rot anlief, wandte sie sich ab.
»Okay, das war ein bisschen grob«, erwiderte er leicht zerknirscht.
»Allerdings!«, sagte sie mit bebender Stimme und drehte ihm weiterhin den Rücken zu.
Pascal stand im Türrahmen und räusperte sich. »Ich würde ja reinkommen und helfen, das Ding mit herauszuziehen«, sagte er entschuldigend, »aber ich fürchte, mein Mantel würde dieses Erlebnis nicht zu schätzen wissen.«
Molly warf ihm einen wütenden Blick zu. »Natürlich, Pascal, bleib schön in sicherer Entfernung«, erwiderte sie sarkastisch.
Pascal verstand den Wink. »Also gut.« Und mit einer Miene äußersten Widerwillens betrat er auf Zehenspitzen die schmutzige Scheune.
»Vorsicht!«, rief Molly, als sie ihn herumstaksen sah, aber es war schon zu spät. Pascals handgenähte Slipper mit glatter Sohle waren dem Matschboden nicht ge wachsen. Mit einem cartoonreifen Platschen landete Pas cal in einem großen Kuhfladen auf dem Hintern.
Molly sog hörbar die Luft ein, aber sie war zu weit weg, um ihm aufzuhelfen.
»Mon Dieu!«, jammerte er und rappelte sich mühsam auf. Er sah aus, als bräche er jeden Moment in Tränen aus. »Seht mich an! Nein, lieber doch nicht!«
»Sorry, Kumpel«, rief Simon ihm zu. Molly allerdings sah jedoch, dass er nur mühsam ein Grinsen unterdrückte. »Ziemlich rutschig hier drin, was?«
Zu Mollys großem Verdruss schien er vergessen zu haben, dass sie sich gerade mitten in einem Streit befanden. Noch dazu, als sie wusste, dass sie in der moralisch überlegenen Position war.
»Also«, fuhr Simon fort und wandte sich wieder der Bahre zu, »wollen wir?«
Molly beobachtete ihn dabei, wie er in die Hocke ging und anfing, sie aus ihrem matschigen Ankerplatz herauszuzerren. Es war offenbar mühsam, aber Zentimeter für Zentimeter kam sie voran.
»Ein bisschen Hilfe wäre nicht schlecht«, murmelte Simon.
Beleidigt stapfte Molly mit quatschenden Schritten zu ihm, um mit anzupacken. Nachdem sie die Spitze der Bahre herausgezogen hatten, ließen sich die Kufen schnell befreien, und es gelang ihnen, die Bahre aus der Scheune heraus zurück in den aufgewühlten Schnee zu schieben.
Übersät mit Matschspritzern, Kuhmist und Stroh bot sie einen traurigen Anblick. Molly stand mit geballten Fäusten da und wartete auf Simons Entschuldigung, weil er die Bahre nicht ordentlich befestigt hatte.
Die wütende Stille wurde durchbrochen von dem schmatzenden Geräusch, das Pascals Schritte verursachten. Vorsichtig kam er aus der Scheune und versuchte, sich mit etwas trockenem Stroh den Matsch vom Hinterteil zu reiben. Das entfernte Geläut der Kuhglocken wurde immer schwächer, da sich die Kühe mittlerweile am anderen Ende der
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