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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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verabredet! Nur um zu Abend zu essen!«
    »Und ihr überlegt, ob ihr ein
Kind haben wollt.«
    »Hat sie das gesagt?«
    »Ja.«
    »Natürlich haben wir auch
darüber gesprochen.«
    »Natürlich?« sagte Delia laut.
    »Ich meine, Rosemary wird nicht
jünger.«
    »Nein, bestimmt nicht, sie ist
sicher schon dreißig«, sagte Delia bitter. Sie flocht die Telefonschnur um ihre
Finger. Die Verbindung rauschte, als sei es ein Ferngespräch.
    »Aber wahrscheinlich ist sie
sowieso kein mütterlicher Typ«, sagte Adrian gutgelaunt. »Komisch, nicht wahr?
Was du an einem Menschen anfangs anziehend findest, stößt dich am Ende manchmal
ab. Als ich Rosemary kennengelernt habe, war sie so... kühl, würdest du das
nennen, sie benahm sich so kühl, ich war ganz hingerissen, aber jetzt begreife
ich, sie ist vielleicht zu kühl, um eine gute Mutter zu sein.«
    »Und ich?« fragte Delia.
    »Du?«
    »Was findest du bei mir
anziehend, und was stößt dich ab?«
    »Wieso? Nichts, Delia. Warum
fragst du?«
    »Nichts Anziehendes?«
    »Oh! Na, vielleicht... na, als
wir uns kennengelernt haben, warst du so herzerfrischend und süß kindisch. Ich meine
kindlich, weißt du? Aber als wir an dem Punkt waren, zum Beispiel, hm, wo die
meisten mehr einsteigen, da warst du immer noch so süß kindlich. Warst ganz
aufgeregt, wolltest immer gehen; als ob wir keine zwanzig wären.«
    »Aha«, sagte Delia.
Adrian sagte: »Delia. Wie
alt ist dein Sohn eigentlich?«
    »Uralt«, sagte sie. Aber
eigentlich meinte sie sich selbst.
    Sie hing ein und ging aus dem
Zimmer.
    Unten hörte sie in der Küche
Wasserlaufen und Geschirrklappern, und Eleanor sagte: »Susie, du hast doch
sicher nicht vor, das wegzuwerfen?« Delia durchquerte den Flur, stand an der
Tür und sah auf die Veranda hinaus. Keine Spur von den Jungen, die seit Jahren
nicht mehr blieben, um sich nach dem Essen noch ein bißchen zu unterhalten;
keine Spur von Velma und Rosalie. Aber Sam und Linda saßen in der
Hollywoodschaukel und stritten miteinander. »Manche der Azaleen hat unser
Großvater gepflanzt«, sagte Linda, »aber das interessiert dich ja nicht«, und
Sam sagte: »Und dich auch nicht, oder hast du vor, dich hier ein bißchen an der
Arbeit zu beteiligen«, und Eliza im Rohrschaukelstuhl sagte: »Oh, hört doch
endlich auf, ihr beiden.« Die Zwillinge wirbeln vorn über den Weg, im Schein
der Laterne. Grashalme kleben ihnen an der Haut, und weiße Motten schwirren
über ihren Köpfen. Sie waren so ausgelassen und überdreht, wie Kinder an
Sommerabenden draußen manchmal sind, und riefen mit atemberaubender
Geschwindigkeit: »That’s Life!«
    »Fünfzehn Cent die Nummer.«
    »Ich hab nur einen Groschen.«
    »That’s Life!«
    »Fünfzehn Cent die Nummer.«
    »Ich hab nur einen Groschen.«
     
     
     
    5 Es regnete an ihrem ersten
Abend an der See, und das Cottage hatte, wie sich herausstellte, ein undichtes
Dach. Es war kein besonders komfortables Cottage, keins der Ferienhäuser mit Strandblick,
sondern ein kleines kompaktes Haus, das landeinwärts am Highway i lag. Delia
malte sich aus, daß ein Verkäufer von einem der Futtermittelläden des
ländlichen Delaware hier vor einer Woche ausgezogen war. Unter dem
Küchenspülbecken war ein blumiger Chintzvorhang; das Linoleum im Wohnzimmer
hatte blaue Sprenkel, damit es wie ein Häkelteppich aussah, und alle Betten
waren zur Mitte hin durchgelegen und knarrten bei der leisesten Bewegung.
Dennoch, fand Sam, eine Pfütze oben im Flur, das ging zu weit. Er rief auf der
Stelle die Agentur an, wählte die Notfallnummer und bestand darauf, daß der
Schaden als erstes am nächsten Morgen behoben wurde.
    »Was«, fragte Linda, »brauchst
du auch in den Ferien die Handwerker um dich?«
    Und Eliza sagte: »Komm, wir wischen
es auf, was soll’s. Es regnet sicher nicht wieder, solange wir hier sind, und
wenn schon, dann kriegt’s der liebe Gott mit mir zu tun.«
    Delia sagte nichts. Sie konnte
sich nicht dazu aufraffen.
    Zu Hause in Baltimore nutzten
die Handwerker die Woche, um die Böden abzuschleifen und neu zu versiegeln. Sie
hatten deshalb den Kater mitnehmen müssen. (Bei Fremden zu wohnen, duldete er
nicht — bei dem einzigen Versuch wäre er fast vor Heimweh gestorben.) Säm
behauptete, sie bekämen garantiert das Cottage gekündigt, weil Haustiere
ausdrücklich verboten waren, aber das hielt Delia für unmöglich. Wer würde
schon Vernon hier vermuten? Er war von der Fahrt so durcheinander, daß er sich
sofort hinter einem der

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