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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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irgendwelchen
Unfug angestellt hatte. Sie spürte auch, wie sie rot wurde. Ich hasse meine
dünne Haut, immer verrät sie mich! Sie streifte den Riemen ihrer Tasche über
die Schulter und marschierte über den Platz, Eliza einen Schritt hinterher, wie
zur Bekräftigung, daß Delia stur und rücksichtslos war. Als sie zur Straße
kamen, machte Delia halt und sagte: »Du denkst bestimmt, das hätte ich nicht
tun sollen.«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich
warte auf deine Erklärung.«
    Delia setzte sich wieder in
Bewegung. Hätte sie geahnt, daß Eliza so auftauchen würde, hätte sie sich
vorher eine Erklärung zurechtgelegt. Es war lächerlich, aber sie hatte keine.
    »Mr. Sudler dachte, du seist
eine mißhandelte Ehefrau«, sagte Eliza.
    »Wer?«
    »Der Dachdecker. Vernon
Sudler.«
    »Oh, Vernon«, sagte Delia.
Natürlich: er hatte die Zeitung gelesen.
    Sie überquerten die Straße. Delia
wollte eigentlich in den Secondhandladen, doch jetzt wußte sie nicht mehr,
wohin.
    »Er hat uns in Baltimore
angerufen«, sagte Eliza. »Er fragte, ob...«
    »Baltimore! Wieso wart ihr in
Baltimore?«
    »Na, wir haben gepackt und sind
zurückgefahren, nachdem du verschwunden warst. Du hast doch nicht gedacht, wir
wären am Strand geblieben.«
    Doch, das hatte Delia
gedacht. Aber jetzt begriff sie, wie komisch das ausgesehen hätte: die
Familienmitglieder, Sonnenölglänzend, schmorten am Strand, pumpten eifrig ihre
Schlauchboote auf, taten, als sei nichts, und die Polizei rückte mit ihren
Spürhunden an, hielt ihnen womöglich Delias hinterlassene Habe unter die Nase,
um sie auf die richtige Fährte zu bringen.
    »Zuerst dachten wir, du seist
selbst nach Baltimore gefahren«, sagte Eliza. »Du kannst dir denken, was die
Fußbodenleute für ein Theater gemacht haben, als wir alle wieder dastanden. Und
als wir dich da nicht gefunden haben... na, Gott sei Dank rief Mr. Sudler an.
Er rief gestern abend zu Hause an und wollte mich persönlich sprechen, und
glücklicherweise war ich gerade am Apparat. Also, er sagte, er könne schwören,
du seist nicht entführt worden, aber er wende sich ungern an die Polizei, weil
er annahm, du hättest guten Grund, fortzulaufen. Er sagte, du seist an einer
Kirche ausgestiegen, die mißhandelten Frauen mit Rat und Tat beisteht.«
    »Bin ich das?«
    Delia hielt vor dem Blumenladen
an.
    »Du hättest ihr Schild gesehen
und ihn gebeten, dich rauszulassen, sagte er.«
    »Schild?«
    »Und euer Gespräch, sagte er,
das Gespräch, das ihr zwei geführt hättet — später wäre ihm durch den Kopf
gegangen... aber wo du warst, wollte er nicht verraten, weil dein Ehemann ein
gefährlicher Mensch sei. ›Gefährlich!‹ habe ich gesagt. ›Sam Grinstead ist
immerhin der freundlichste Mann der Welt‹ sagte ich. Aber Mr. Sudler ließ sich
nicht von seiner Idee abbringen. Er sagte: ›Ich habe nur angerufen, um Ihnen
mitzuteilen, daß es ihr gut geht, und außerdem möchte ich betonen, ich hatte
keine Ahnung, daß sie weglaufen wollte. Sie wollte lediglich eine
Mitfahrgelegenheit in diese Stadt‹, sagte er, ›und hat behauptet, daß sie dort
Familie hat, ich habe mir nichts Böses dabei gedacht.‹ Dann sagte er noch, ich
solle es nicht Sam erzählen, aber natürlich habe ich’s Sam erzählt; konnte kaum
ein Geheimnis draus machen. Ich habe Sam erklärt, daß ich zuerst mit dir reden
und herausfinden will, was eigentlich los ist.«
    Sie wartete. Jetzt sollte Delia
fragen. Gut. »Und was hat Sam daraufhin gesagt?«
    »Er sagte, natürlich soll ich fahren. Er war ganz meiner Meinung.«
    »Oh.«
    Pause.
    »Und er hatte auch Verständnis,
daß ich nicht mit der Stadt herausrücken wollte, bis wir beide miteinander
geredet hätten.«
    »Aha«, sagte Delia. Dann sagte
sie: »Aber wie bist du auf die Stadt gekommen?«
    »Na, du hast doch Mr. Sudler
gesagt, daß du dort Familie hast.«
    »Familie. Hm...«
    »Mutters Familie. In Bay
Borough.«
    »Mutters Familie kommt aus Bay
Borough?«
    »Früher. Vielleicht wohnt sogar
noch jemand hier, aber nicht, daß ich wüßte. Das wußtest du doch. Bay Borough? Tante
Henny? Und Großonkel Roscoe hatte ganz in der Nähe seine Geflügelfarm.«
    »Das war in Bay Borough?«
    »Wo sonst?«
    »Ich hatte keine Ahnung«, sagte
Delia.
    »Kann ich mir nicht vorstellen.
Hör mal, es gibt sogar eine Weber Street — der Mädchenname unserer Großmutter
Carroll. Als ich von der Landstraße abbog, bin ich daran vorbeigefahren. Und
ein paar Straßen später eine Carroll Street, wenn ich mich

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