Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
Vom Netzwerk:
Bay
Borough nicht zu meinem Auftrag gehört?« fragte Delia.
    Verunsichert krauste Eliza
einen Augenblick die Stirn.
    Delia sagte: »Eliza, hm, eine
Frage...«
    »Ja?« sagte Eliza erpicht.
    »Kannst du mir sagen, ob sie
die Katze wieder mit nach Hause genommen haben?«
    Ein Fehler. Eliza schnappte
ein. »Die Katze!« sagte sie. »Andere Sorgen hast du nicht?«
    »Natürlich habe ich auch andere
Sorgen, aber schließlich hatte er sich verkrochen, als ich wegging, und ich
wußte nicht — «
    »Sie haben daran gedacht«,
sagte Eliza beleidigt. »Wozu, ist mir schleierhaft. Das verflixte Vieh ist so
alt, es schnarcht sogar, wenn es wach ist.«
    »Alt?« fragte Delia.
    »Sie haben alle deine Kleider
eingepackt, und deine Kochtöpfe auch«, sagte Eliza. »Die arme Susie mußte dein
ganzes Zeug — Delia? Weinst du?«
    »Nein«, sagte Delia mit
erstickter Stimme.
    »Weinst du wegen der Katze?«
    »Nein, habe ich gesagt!«
    Sie wußte, daß der Kater nicht
mehr jung war. (Wie vergnügt er als Junges gewesen war — ein Tier, das sogar
Sinn für Humor hatte, immer war er demonstrativ um die verbotenen Topfpflanzen
herumgestrichen und hatte ihr dann einen verschmitzten Blick zugeworfen.) Aber
sie hatte doch angenommen, er sei in den besten Katzenjahren, und erst jetzt
fiel ihr ein, wie er in letzter Zeit auch vor dem kleinsten Sprung stehenblieb
und sich erst sammelte. Wie sie ihn im Frühjahr vom Küchenschrank gescheucht
hatte und er ungeschickt gefallen war, paddelnd, mit allen vieren, bis er wie
ein Häufchen Elend dalag und dann hastig seine Flanke leckte, als sei nichts.
    Ihre Augen weiteten sich, damit
die Tränen nicht überliefen.
    »Delia«, sagte Eliza, »gibt es etwas,
das du mir verheimlichst? Hat es etwas mit diesem... Mann zu Hause zu tun?«
    Delia versuchte gar nicht erst,
Ahnungslosigkeit vorzutäuschen. Sie sagte: »Nein.« Dann trat sie ans Kopfende
des Betts, was Eliza veranlaßte, einen Schritt zurückzugehen. Sie holte das
Klopapier unterm Kissen vor und putzte sich die Nase. »Ich glaube, ich werde
verrückt«, sagte sie.
    »Nein, nein! Du bist nicht
verrückt! Nur ein bißchen, oh, müde, vielleicht. Nur ein bißchen abgeschafft. Weißt
du, was ich denke?« fragte Eliza. »Ich denke, es hat dich mehr Kraft gekostet,
als wir alle dachten, Vater während seiner letzten Krankheit zu pflegen.
Wahrscheinlich bist du auch anämisch! Was du brauchst, ist schlicht und einfach
Ruhe. Ferien für dich allein. Ja, es war gar keine schlechte Idee, nach Bay
Borough zu fahren! Ein paar Tage, ein paar Wochen, dann kommst du wieder nach
Hause, wie neugeboren.«
    »Vielleicht«, sagte Delia
schwankend.
    »Und das erzähl’ ich auch der
Polizei: Sie ist nur zu unseren Verwandten zurück, weil sie absolute Ruhe
braucht, werde ich sagen. Denn, Bescheid sagen muß ich, weißt du.«
    »Ich weiß.«
    »Und ich muß es Sam erzählen.«
    »Ja.«
    »Und dann nehme ich an, kommt
er und will mit dir reden.«
    Delia drückte das Klopapier
gegen beide Augen.
    »Ich bin in solchen Situationen
nicht sehr gut«, sagte Eliza. Sie nahm eine Hand von ihrer Tasche und legte sie
Delia auf die Schulter.
    »Du bist in Ordnung«, sagte
Delia zu ihr. »Es liegt nicht an dir.«
    Sie wurde mit einemmal traurig,
weil Eliza sich die Lippen geschminkt hatte. (Ein zuckriges Pink, das grell
gegen ihre dunkle Haut abstach.) Eliza benutzte sonst nie Make-up. Sie hatte
sich gegen diesen Besuch wappnen müssen.
    »Soll ich Sam sagen, er soll
dir deine Sachen mitbringen?« fragte sie.
    »Nein, danke.«
    »Ein, zwei Kleider?«
    »Nichts.«
    Eliza ließ ihre Hand fallen.
    Sie verließen das Zimmer, Eliza
ging vor und als erste die Treppe hinunter. Delia fragte: »Was macht deine Gärtnerei ?«
Es klang aufgesetzt munter.
    »Oh...«, sagte Eliza. Sie
standen nun unten im Flur. »Du brauchst Geld«, sagte sie zu Delia.
    »Nein.«
    »Wenn mir klargewesen wäre, daß
du nicht mit zurückkommst... Ich habe nicht viel bei mir, aber das kannst du
gern haben.«
    »Ehrlich, ich will nichts«,
sagte Delia. »Ich verdiene bei diesem Rechtsanwalt eine ganze Masse. Ich konnte
es gar nicht glauben, als er die Summe nannte.« Sie begleitete Eliza zur Tür.
»Und du weißt doch, ich habe das Feriengeld mitgenommen. Fünfhundert Dollar.
Ich habe schon genug schlechtes Gewissen deswegen.«
    »Oh, wir sind trotzdem
zurechtgekommen«, sagte Eliza und beäugte eine schwammige Stelle im
Verandafußboden.
    Delia hätte sie zum Wagen
bringen oder bis zur Kanzlei mitgehen können,

Weitere Kostenlose Bücher