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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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sagte Delia.
    »Ich schmeiße mich richtig ins
Zeug: Puter, Soße, Preiselbeeren...«
    »Ich wußte gar nicht, daß du
kochst!«
    »Ich auch nicht«, sagte Belle
voll Galgenhumor. »Teil meines Schlachtplans. Ich versuche den Typen, mit dem
ich gehe, davon zu überzeugen, was für eine fabelhafte Hausfrau ich bin.«
    Augenblicklich sah sie alles
andere als nach Hausfrau aus. Der Sonntag war ein harter Arbeitstag im
Maklerbüro, und sie war ausgehfein, trug den riesigen lila Mantel mit den
ausladenden Schultern, die nicht nur gepolstert waren, sondern in kleinen
Spitztüten endeten — Raumanzug für Außerirdische. Darunter waberten lila
Hosenbeine, und der Duft ihres fruchtig schwülen Parfüms hing wie eine
Gewitterwolke in der Luft.
    »Vanessa kommt mit Greggie«,
sagte sie. »Ein Kind macht sich immer gut, findest du nicht? Und diese Leute
von außerhalb, denen ich gerade ein Haus verkauft habe; da kann nichts
schiefgehen...«
    »Und ich darf in der Küche
glänzen«, riet Delia.
    »Oh, das Essen lasse ich
kommen, aber verrat mich bloß nicht. Ich dachte, du kannst der Sache ein
bißchen, na, sagen wir mal, Klasse geben. Dieser Mensch muß denken, ich bin die
Tugend in Person. Du kannst mir den letzten Gattinnenschliff verpassen:
Tischdekoration und so’n Klimbim. Da kennst du dich doch sicher noch aus? Hast
du vielleicht so ‘nen Korb, der wie’n Füllhorn aussieht?«
    »Leider nein«, sagte Delia.
»Aber ansonsten, mit größtem Vergnügen.«
    »Wunderbar«, sagte Belle. Sie
schubste die Katze vorsichtig beiseite — sie war Delia nachgekommen — und
öffnete die Haustür. Draußen wartete ein kühler, blechfarbener Tag. »Der Mensch
heißt Henry McIlwain, hab’ ich das schon erzählt?« fragte sie. »Wir gehen seit
ein paar Wochen zusammen, und langsam will ich mal zur Sache kommen. Sonst
denkt er, ich bin nur fürs Vergnügen da. Vielleicht kannst du ein paar
Bemerkungen fallenlassen. So: ›Mensch, Belle, hoffentlich hast du wieder deinen
köstlichen Rosenkohl gemacht.‹«
    »Es gibt Rosenkohl für ihn?«
    »Leider. Das andere Gemüse vom
Partyservice paßt nicht in meinen kleinen Grill.«
    Delia fragte: »Wie hast du das
mit dem Essen geregelt, als du mit Norton zusammengelebt hast?«
    »Wir sind ausgegangen. Aber
diesmal wird alles anders. Wenn Henry zuhört, kannst du mich auch nach hem
Rezept fragen.«
    »Ich bin gespannt auf deine
Antwort«, lachte Delia.
    »Essen gibt’s um eins, aber
vielleicht kannst du etwas früher kommen und den Tisch decken? Und zieh deinen
grauen Nadelstreifen an. Dein Nadelstreifen ist so... grau, weißt du?«
     
    * * *
     
    An Thanksgiving schlief Delia
aus und vertrödelte den Morgen, trank Tee und las im Bett, die Katze neben sich
zusammengerollt. Auf der anderen Seite des Flurs, in Mr. Lambs Zimmer, dröhnte
ständig eine Ansagerstimme. Es war ein Fernsehsprecher, hatte Delia
herausgefunden, kein Radio. Seit sie ihre Tür einen Spalt offenließ, hörte sie
die Musik ohne sichtbaren Grund, einem visuellen Impuls folgend, an- und
abschwellen; und heute morgen, als sie Teewasser holen ging, fing sie auch
einzelne Sätze auf. »Die Bärenmutter führte ihre Jungen...«, hörte sie, und:
»Das Spinnenweibchen sticht seine Opfer...«. Mr. Lamb sah also Tierprogramme.
    Kurz nach zwölf stand sie auf
und zog sich an. Wie schade, daß sie keine Perlenkette hatte, es sähe noch
festlicher aus. Oder wenigstens einen Schal. Hatte sie nicht einen Schal mit
persischem Muster und grauen Sprenkeln am Rand? Ja — in Baltimore. Er lag
zusammengelegt in Großmutters Lackschachtel für Handschuhe.
    Sie nahm besonders viel
Lippenstift, und dann rückte sie näher an den Spiegel und kämmte sich. Ihr Haar
war jetzt länger, die Locken lagen flacher, ruhiger — genau richtig für Miss
Grinstead. Obwohl sie, als sie zurücktrat und einen prüfenden Blick auf den
Gesamteindruck warf, eher wie Rosemary Bly-Brice aussah.
    Sie drehte sich abrupt um und
nahm die Vase voll Herbstblumen, die sie tags zuvor gekauft hatte.
    Als sie ging, kam die Katze
mit. Sie purzelte hinter ihr die Treppe hinab und strich ihr um die Füße,
während sie an die Wohnzimmertür klopfte. Als niemand antwortete, versuchte sie
die andere Tür, rechts, und schließlich drückte sie die Klinke herunter und
steckte ihren Kopf ins Eßzimmer. »Jemand da?« fragte sie.
    Du meine Güte, Belle brauchte
wirklich ihre Unterstützung. Auf dem Tisch — einem langen, schmalen, der eher
einer Schulbank glich — lag nicht einmal

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