Kleine Einblicke
wie meine. Sie ist viel zu rau und auch irgendwie zu hoch. Was ist hier los? Was stimmt nicht mit mir? „Adrian...“
Er steht auf und verzieht sofort das Gesicht, weil seinem Rücken die abrupte Bewegung offenbar gar nicht gefällt. Aber nachdem er sich gestreckt hat, kommt er leise zu mir ans Bett und streichelt vorsichtig über meine linke Wange, wo kein Pflaster klebt. Adrians Blick ist unruhig, irgendwie ängstlich, und das macht mich sofort nervös. Wenn mein Onkel so offensichtlich Angst hat, dann muss es wirklich schlimm sein.
„Was ist hier los?“, will ich wissen, worauf Adrian sich erst mal ein Lächeln abringt, aber sein besorgtes Gesicht macht mir zuviel Angst, um darauf zu reagieren. „Wieso liege ich im Krankenhaus?“, frage ich mit dieser Stimme, die nicht meine ist.
„Du hattest einen Autounfall.“
Meine Vermutung ist also richtig. Daran erinnern kann ich mich trotzdem nicht. „Ich kann mich nicht erinnern.“
Adrian nickt. „Ja, ich weiß. Die Ärzte haben befürchtet, dass du dich überhaupt nicht mehr erinnerst. Du bist sehr verletzt worden, als...“ Adrian seufzt und fährt sich durch die Haare. „Ein Trucker ist dir an einem Stauende hintendrauf gefahren. Dein Wagen und drei weitere wurden völlig zerstört. Du hattest Glück.“
Die anderen Autofahrer hatten scheinbar nicht soviel Glück, wenn ich Adrians unausgesprochene Worte richtig deute, was mich wieder zu der Frage bringt, warum ich mich nicht bewegen kann. Adrian hat sie mir nicht beantwortet.
„Bin ich gelähmt?“
Adrian schüttelt sofort den Kopf, nimmt meine Hand und streicht dann über mein linkes Bein. Ich kann beides fühlen. Gott sei Dank. Adrian sieht mir meine Erleichterung an und lächelt erneut. Nicht mehr so verkrampft wie zuvor.
„Die Ärzte haben dich nur ruhig gestellt, damit dein Rücken ohne Störungen heilen kann. Deine Wirbelsäule war verletzt, ja, aber es ist nicht so schlimm, wie sie anfangs dachten. Du wirst wieder auf deinen Beinen stehen und gehen können, sobald dein Splitterbruch verheilt ist. Deswegen auch die Schrauben.“
Okay, es scheint nicht so schlimm zu sein, wie ich erst dachte. Aber irgendwie habe ich ein komisches Gefühl. „Meine Stimme...“
„Vom Tubus. Sie haben die Beatmung erst vorgestern eingestellt, nachdem sie dich aus dem künstlichen Koma geholt haben. Und bevor du fragst, du bist seit sechs Wochen hier.“
Fast solange wie Onkel David damals nach seinem Motorradunfall. Kein Wunder, dass sein Blick so besorgt ist und er Angst hat. Aber dennoch, irgendetwas ist hier nicht richtig und ich weiß nicht... Mein Blick fällt auf die Kinder. Sie scheinen hierher zu gehören, sonst würden sie nicht auf meinem Bett liegen. Aber zu wem gehören sie und wie? Und was habe ich, abgesehen von dem Autounfall, noch alles vergessen?
„Adrian?“
„Ja?“, fragt er leise und streichelt beruhigend über meine Hand, ein erleichtertes Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht.
„Wer sind diese Kinder?“
Das Lächeln verschwindet. Stattdessen kehrt dieser nervöse Blick von zuvor in sein Gesicht zurück. „Du weißt nicht, wer...?“ Adrian verstummt mitten in der Frage, als ich nur den Kopf schüttle, und atmet tief ein, bevor er mich forschend ansieht. „Kilian, was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?“
Gute Frage. Ich muss erst mal darüber nachdenken. Die Ausstellung in der Galerie. Dale war da. Er wollte unbedingt eines der Bilder haben. Das mit der Straße ins Nichts, aber einer meiner ehemaligen Schulkameraden war schneller. Jake sowieso... Ich muss eine Weile überlegen, dann fällt mir sein Name wieder ein. Jake Porter. Liams Freund. Richtig. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich danach Auto gefahren bin oder in einem Stau stand. Mir fällt auch nicht ein, was ich nach der Ausstellung gemacht habe. Bin ich mit Dale nach Hause gefahren? Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht.
„Meine Ausstellung, erinnerst du dich? Dale wollte eines meiner Bilder kaufen.“ Adrian zuckt zurück und sieht mich fassungslos an. Was ist denn? Was habe ich gesagt? „Was ist los? Adrian?“
„Moment“, wiegelt er ab und nimmt wieder meine Hand. „Außer den Kindern erkennst du aber jeden im Raum, oder?“
Was soll denn die dämliche Frage? Ich werde ja wohl meine eigene Familie erkennen. „Ja, natürlich. Adrian, was ist los?“
Er seufzt, sieht zu den Kindern und dann wieder zu mir, bevor er mitfühlend das Gesicht verzieht. „Es sind deine Kinder, Kilian. Du und
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