Kleine Einblicke
gefallen und ich habe sofort an sie beide gedacht, als ich sie sah.“
„Vom Himmel gefallen?“, hakte Adrian nach und klang beunruhigt, was der folgende, düstere Blick der Frau dann auch bestärkte.
„Ihre Mutter wurde heute morgen in einen Autounfall verwickelt. Sie ist mehrfach vorbestraft und derzeit auf Bewährung. Außerdem hat sie keinerlei Interesse an ihrer Tochter. Das Krankenhaus hat uns verständigt, als die Wehen einsetzten, und wir haben ihr ein Geschäft angeboten. Sie verzichtet auf ihr Baby und bekommt dafür eine mildere Strafe. Der Staatsanwalt war damit einverstanden und so können wir der kleinen Maus sofort ein gutes Zuhause schenken.“ Die Frau lächelte wieder. „Wollen sie sie sehen? Es ist im Übrigen ganz ihnen überlassen, wie sie die Kleine nennen möchten. Sie hat noch keinen Namen. Also? Was sagen sie?“
Die Frau, so nett sie auf den ersten Blick auch zu sein schien, verbreitete für Tristans Geschmack eindeutig zuviel Hektik, aber das brachte ihr Job vermutlich mit sich. Da blieb er doch lieber auf den Brettern, die die Welt bedeuteten. Im Theater zu arbeiten, war zwar auch oft genug stressig, aber da sah er regelmäßig an den Gesichtern der Zuschauer, ob er es vernünftig gemacht hatte. Sich tagtäglich mit dem Elend und den traurigen Augen von unglücklichen Kindern befassen zu müssen, dass hätte er nie gekonnt. So gesehen, war es verdammt richtig, was Adrian und David vorhatten, denn das kleine Mädchen, das von einer lieblosen Mutter geboren worden war, würde bei seinen Freunden ein schönes und gutes Zuhause haben, das wusste Tristan.
„Wir warten hier“, riss ihn Nicks Stimme aus seinen Gedanken und Tristan sah auf, da drehten sich Adrian und David gerade zu ihnen um, beide in einer Mischung aus Angst und Vorfreude lächelnd. „Wir setzen uns ins Wartezimmer.“
„Okay“, meinte David hörbar nervös und griff nach Adrians Hand, was Tristan lächeln ließ, denn er hatte eben dasselbe gedacht. Die ersten Minuten mit ihrer Kleinen sollten David und Adrian ganz für sich allein haben.
Deshalb nickte er den Beiden nur aufmunternd zu und folgte dann Nick ein Stück den Gang entlang. Am Wartezimmer waren sie nämlich schon vorbeigelaufen. Das war übrigens leer. Sehr schön. Tristan war heute irgendwie nicht nach Gesellschaft. Zumindest nicht nach der fremder Menschen. Er ließ sich mit einem Seufzen auf einen der Besucherstühle fallen und wunderte sich dann erst mal darüber, wie bequem der war. Da kannte er von seinen Besuchen und Aufenthalten in Krankenhäusern in den letzten Jahren ganz andere Stühle. Leises Lachen ließ ihn schließlich zu Nick schauen, der sich seitlich ans Fensterbrett gelehnt hatte und ihn amüsiert ansah.
„Was ist?“, fragte er neugierig und streckte die Beine aus.
„Kannst du dir das vorstellen?“ Nick schüttelte ungläubig den Kopf. „David und Adrian als Väter. Ich kann es kaum glauben.“
Ah, darum ging es. Tja, auch was das betraf, dachten sie gleich. Tristan schmunzelte. „Geht mir nicht anders.“ Er legte fragend den Kopf schief, was Nick grinsen ließ, bevor sein Freund eindrücklich den Kopf schüttelte. „Gott sei Dank“, murmelte Tristan und spürte, wie er rot wurde, als Nick leise lachte. „Sorry, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, Windeln zu wechseln.“
„Ich auch nicht“, stimmte Nick ihm zu. „Wenn sie die Kleine zu sich nehmen, werden wir es früher oder später sowieso lernen, aber ich will im Moment kein eigenes Kind.“
„Im Moment?“, hakte Tristan nach und Nick zuckte die Schultern, bevor er sagte,
„Ich lehne Kinder nicht grundsätzlich ab, aber wenn, dann möchte ich nur mit dir zusammen ein Kind zu uns holen.“ Nick stutzte und fing im nächsten Moment an zu glucksen. „Weißt du noch, als Adrian uns deshalb angerufen hat und mir vor Schreck erst mal der Hörer aus der Hand gefallen ist?“ Tristan prustete los. „Das war nicht witzig“, beschwerte sich Nick darauf, doch sein belustigter Blick sprach ganze Bände.
„Doch, ein klein bisschen schon“, ärgerte Tristan ihn daher auch und grinste frech. „Aber ich kann dich verstehen. Und außerdem ist mir ja auch fast das Herz stehengeblieben.“ Er schüttelte lachend den Kopf. „Ich dachte zuerst, es wäre weiß Gott was passiert, weil du geguckt hast, als wäre jemand ermordet worden. Du hast mir an dem Abend einen Heidenschrecken eingejagt.“
„Ich weiß“, meinte Nick mit einem schiefen Grinsen und spielte dabei
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