Kleine Einblicke
meinen Schoß. „Ich schwöre dir, ich passe gut auf Colin auf.“
„Ich weiß.“
„Ist es okay, dass du zu Steven gehst?“ Ich will ihn nicht gegen seinen Willen wegschicken, daher muss ich die Frage stellen. Wenn er 'nein' sagt, werde ich eine andere Möglichkeit finden, mit Colin eine Weile allein zu sein.
„Ja“, antwortet er an meiner Schulter und presst sich enger an mich. „Aber... Ich meine, was soll ich denn zu ihnen sagen?“
Mist. Kilian hat Recht. Daran habe ich nicht gedacht. Er soll nicht für uns lügen müssen, aber die Wahrheit geht außer unserer Familie niemanden etwas an. Colin würde es nicht verkraften, wenn sich das herumspricht. Vielleicht wären Devin und Samuel die bessere Idee, um Kilian für die nächsten Tage auszuquartieren. Er hebt den Kopf, als ich ihm den Vorschlag gerade machen will.
„Ich will zu Adrian und David.“
„Okay“, sage ich lächelnd, weil ich Kilian im Moment so gut wie alles versprechen würde. „Pack' eine Tasche, ich rufe sie an. Sie kommen dich bestimmt abholen.“
„Glaubst du, ich kann Dad 'Tschüss' sagen?“
Was für eine absurde Frage, aber sie ist irgendwie verständlich. Er ist nun mal ein Teenager und im Moment völlig verunsichert. „Natürlich.“
„Kann ich ihn umarmen?“
„Ganz fest sogar“, antworte ich, denn egal wie schlimm es Colin seelisch geht, er würde Kilian trotzdem niemals abweisen. Dazu liebt er den Jungen viel zu sehr.
Ich lasse Kilian allein und ziehe auf der Treppe mein Handy aus der Tasche. Ein kurzer Blick in die Küche genügt, um zu wissen, dass Colin ein paar Minuten ohne Gesellschaft jetzt gut tun. Er verfüttert nämlich eben sein Brötchen an Whiskey, was wir eigentlich nicht machen, aber mir reicht Colins Lächeln völlig aus, um ihn gewähren zu lassen.
Adrian geht schon nach dem ersten Klingeln ans Telefon. „Hast du Zeit?“, falle ich mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus, denn für großartige Erklärungen habe ich keinen Nerv.
„Was ist los?“, fragt Adrian sofort.
Meine Stimme hat mich verraten, aber ich war noch nie ein guter Schauspieler, was meine Gefühlslage angeht. Besonders nicht, wenn Colin in irgendeiner Weise darin verwickelt ist. „Könnt ihr Kilian über das Wochenende zu euch nehmen?“
„Ja. Sag' mir, was los ist!“
„Colin hat mir von dem Spielzimmer erzählt.“ Mehr muss ich gar nicht sagen, um Adrian den Ernst der Lage klarzumachen.
„Wie schlimm ist es?“
Ich glaube, das weiß Adrian selbst am Besten, daher belasse ich es bei einem Schulterzucken und drei Worten. „Er braucht Zeit.“
„Komm' mit ihm her.“
Das halte ich für keine gute Idee. Colin könnte sich in die Ecke gedrängt fühlen und dichtmachen. „Adrian...“
„Wir nehmen Kilian, das ist gar kein Thema und das weißt du“, unterbricht Adrian mich rigoros. „Kommt alle drei her. Einfach nur raus aus Phily. Colin liebt Isabell. Er braucht Ablenkung, genauso wie du und vor allem Kilian, oder hast du es ihm nicht erzählt?“ Mein Schnauben ist Adrian Antwort genug. „Eben. Ihr müsst nicht mit uns darüber reden. Niemand zwingt euch. Colin und du könnt euch von mir aus das ganze Wochenende im Gästezimmer verschanzen, aber ich lasse euch jetzt nicht allein, Mik.“
„Und wenn ich ablehne?“, frage ich trotzig, obwohl mir die Antwort klar ist.
Adrian ist ein Dickschädel und eine mitunter sehr nervige Glucke. Er würde entweder selbst vorbeikommen oder Devin und Samuel auf uns ansetzen. Vermutlich beides. Als Krönung könnte er Dominic von seinen Klippen nach Philadelphia holen oder den Rest der Familie abtelefonieren, was heißt, wir hätten spätestens heute Abend das Haus voller Leute. Die Familie kommt immer, sobald sie gebraucht wird, was ich bewundernswert finde. Im Augenblick ist es aber nicht das, was Colin braucht. Ich kenne ihn genug, um zu wissen, dass er erst mal allein sein und grübeln muss. Wie gesagt, er braucht Zeit.
Adrian lacht leise. „Mach' es dir einfacher und komm' her.“
Ich muss grinsen. Er ist zu stur, um lockerzulassen und er macht sich Sorgen. Manchmal ist es wirklich leichter nachzugeben. Trotzdem muss ich sichergehen, dass wir unsere Ruhe haben werden, ich kann nicht anders.
„Keine Fragen, Adrian. Gib mir dein Wort. Colin würde damit im Moment nicht klarkommen.“
„Du hast mein Wort“, verspricht er ohne zu zögern, so wie ich es erwartet hatte.
„Danke.“
„Ich sage Trey Bescheid. Wann seid ihr hier?“
Mein Blick wandert zu dem Wecker
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