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Kleine Einblicke

Kleine Einblicke

Titel: Kleine Einblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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die Bettdecke wie ein kleines Kind, das Angst vor der Dunkelheit hat, lässt aber meine Hand nicht los. „Die Polizisten haben nichts getan, als ich Anzeige erstatten wollte, also bin ich nach Hause gegangen, habe geduscht und mich ins Bett gelegt.“
    Verdammte Mistkerle. Für einen sehr langen Moment möchte ich Adrian anrufen und ihn bitten, die Namen der Cops herauszufinden, damit ich sie umbringen kann. Aber das würde Colin auch nicht helfen, also schiebe ich den Gedanken beiseite. „Was ist dann passiert?“
    „Nichts“, antwortet Colin nach einer gefühlten Ewigkeit. „Die hatten ihre teuren Anwälte und man legte mir höflich nahe, das Ganze lieber zu vergessen, wenn ich nicht im Gegenzug verklagt werden will. Also habe ich es vergessen.“
    Eine Lüge und das weiß er selbst, deswegen sage ich nichts dazu.
    „Ich habe so getan, als wäre nichts passiert. Es ist ja auch nichts passiert. Ich bin eben ein Waschlappen, was das angeht.“
    „Hör' auf, so zu reden. Das ist nicht wahr.“
    „Ich weiß“, gibt er zu und dreht sich plötzlich ruckartig zu mir, um sich, anstatt in die Bettdecke, in mich zu verkriechen. „Aber es war leichter, sich das einzureden. Andere Menschen erleben Schlimmeres als ich und stellen sich nicht so an.“
    Himmel, wie kann er nur so denken? Was ist in seinem Kopf falsch gepolt, dass er nicht akzeptieren kann, dass er ein Opfer ist? „Colin, du wurdest missbraucht“, spreche ich aus, was er wohl nie in Erwägung gezogen hat, bevor ich ihn in die Arme nehme. „Du bist nicht schuld an dem, was dir passiert ist. Du bist kein Täter, sondern ein Opfer.“
    Er schnaubt. „Nicht nach dem Gesetz.“
    Unsere Gesetze kümmern mich in der Hinsicht einen Scheißdreck. „Wer will denn beurteilen, wie du dich fühlst, Colin? Welches Gesetz? Welcher Anwalt? Welcher Richter? Das ist Unsinn und du weißt es. Was interessiert es mich, dass kein Richter die Kerle verurteilen würde? Sie haben dich missbraucht. Du kannst dir meinetwegen noch die nächsten Jahre einreden, dass es nicht so schlimm war, Colin, das ändert nicht das Geringste daran, dass sie dich verletzt haben. Vielleicht nicht körperlich, seelisch dafür allerdings umso mehr.“
    „Aber...“
    „Nein!“, fahre ich ihm rabiater über den Mund, als ich es wollte, denn dass er so abwertend über sich denkt, macht mich wütend.
    Kein Wunder, dass er solange eine Maske vor dem Gesicht trug. Kein Wunder, dass es fünf Jahre dauerte und mir nur dank Kilians unerwartetem Auftauchen gelang, hinter die Mauer zu schauen, die Colin um sein Herz aufgeschichtet hatte, um nie mehr so verletzt zu werden wie damals. Was seine Eltern anfingen, als sie erfuhren, dass er Männer liebt, haben diese Schweine beendet. Er hat keinen anderen Weg gesehen, sich selbst zu schützen, als ein Schauspieler zu werden, der niemandem zeigt, wie es wirklich in ihm aussieht.
    Es ist in meinen Augen ein kleines Wunder, dass er mich überhaupt so dicht an sich herangelassen hat, wenn ich bedenke wie unsere Beziehung begann.
    Doch das ist derzeit Nebensache, denn ich muss ihm verständlich machen, dass das, was er tut, falsch ist und er damit aufhören muss, weil er dieses Erlebnis sonst niemals richtig verarbeiten wird. Das wird er vermutlich ohnehin nicht, dazu trägt er das alles schon viel zu lange mit sich herum. Aber vielleicht kann er irgendwie seinen Frieden mit sich selbst machen. Es muss einen Weg geben.
    „Wie kannst du nur so denken? Wieso nimmst du diese Schweine indirekt in Schutz, Colin?“
    Sein Kopf kollidiert mit meinem Kinn, als er abrupt aufsehen will, was uns beide schmerzhaft aufstöhnen lässt, bevor Colin mich fuchsteufelswild ansieht.
    „Ich nehme diese Schweine nicht in Schutz!“
    Na sieh mal einer an. Da habe ich unbeabsichtigt einen sehr wunden Punkt bei ihm getroffen und obwohl es mir jetzt schon leidtut, aber das muss ich ausnutzen. Da Colin es anders offenbar nicht versteht, werde ich ihn solange verletzen, bis er begreift, dass er unschuldig ist.
    „Ach nein? Sie sind davongekommen, oder etwa nicht? Du hast stillgehalten, als die Drohung einer Gegenklage kam. Du hast dich lieber selbst die letzten Jahre damit gequält, während diese Typen in der Zeit vermutlich fünf oder zehn oder hundert andere Männer in diesem Raum geschleppt haben.“
    Ich werde mich spätestens morgen dafür hassen, dass ich ihm das gerade antue, denn Colins Blick nach meinen Anschuldigungen ist mit Worten nicht ganz einfach zu beschreiben. Angst,

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