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Kleine Einblicke

Kleine Einblicke

Titel: Kleine Einblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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um die Kaffeetasse schließt, dass die Fingerknöchel weiß werden.
    Kilian kommt breit grinsend in die Küche, lässt seinen Rucksack auf den Boden fallen und will uns gerade weiter ärgern, als sein Blick auf mich fällt. Das Grinsen macht einem völlig fassungslosen Gesichtsausdruck Platz. „Dad? Was ist mit deinem Gesicht?“
    „Nichts Schlimmes. Nur eine Meinungsverschiedenheit mit deinem Dad.“
    „Die ihr mit Fäusten klären musstet, oder wie?“ Kilian runzelt misstrauisch die Stirn, als er bemerkt, dass Colin schweigend auf seine Kaffeetasse starrt und ihn nicht beachtet. „Was ist hier los?“
    Colin verspannt sich neben mir und ich lege meine Hand auf seinen Unterarm, um zu verhindern, dass er aus der Küche flüchtet. Ich habe eine Stunde gebraucht, um ihn überhaupt aus dem Bett zu locken, damit wir Kilian gemeinsam begrüßen, sobald er aus der Schule kommt. Es geht Colin nicht gut. Unser Gespräch und der Streit, dazu die schlaflose Nacht. Was gestern passiert ist, muss jetzt sacken und dafür braucht er Zeit. Wir beide brauchen sie, aber Colin viel mehr als ich, denn er hat sich jahrelang geweigert zu akzeptieren, dass er missbraucht worden ist. Diese Männer haben sein Vertrauen in sich selbst völlig zerstört und auch wenn sie dafür kein Gericht der Welt verurteilen kann, der Schaden ist angerichtet.
    Ich hoffe, dass Colin es mit der Hilfe seiner Psychologin und der Hilfe von uns, seiner Familie, gelingt, einen Weg zu finden, darüber hinwegzukommen. Aber wie gesagt, das wird eine Weile dauern und im Moment ist er weit davon entfernt, über irgendetwas hinweg zu sein. Im Gegenteil.
    Er schämt sich ohne Ende für seinen Ausraster gestern Nacht, obwohl ich ihm bereits mehrfach versichert habe, dass er das nicht muss. Aber Worte sind derzeit zu wenig, das weiß ich. Colin braucht Zeit und ich werde sie ihm geben, so wie ich es immer tue. Deswegen haben wir uns entschieden, Kilian für das Wochenende auszuquartieren, damit wir Zeit für uns haben. Na ja, um ehrlich zu sein, habe ich das entschieden, weil Colin auf meinen Vorschlag hin nur stumm genickt hat, weil er mir nicht in die Augen schauen konnte.
    „Tust du uns einen Gefallen?“, bitte ich Kilian und sehe ihn dabei ernst an. Kein Lächeln, keine vorgespielte gute Laune. Er verdient die Wahrheit, außerdem ist er zu sensibel, als dass ich es wagen würde, ihm eine Lüge aufzutischen. Das würde er mir nie verzeihen.
    „Welchen?“
    „Würdest du Stevens Eltern fragen, ob du heute Nacht und das Wochenende bei ihm schlafen darfst?“ Es ist Freitag und die Gelegenheit für ein Wochenende zu Zweit werde ich nutzen. Colin braucht mich, also werde ich da sein.
    „Warum?“
    Das die Frage kommt, war mir klar und ich werde sie ihm ehrlich beantworten. „Du weißt, dass dein Dad früher etwas Schlimmes erlebt hat? Das hat er dir bei Adrian in Baltimore erzählt.“ Kilian versteht sofort, worüber Colin mit mir gesprochen hat, sein Blick verrät ihn. Er nickt und nimmt seinen Rucksack auf die Schulter, um wortlos die Küche zu verlassen. Ich gebe Colin einen Kuss auf sein Ohr. „Ich rede mit ihm.“
    „Mik, ich...“
    „Ist schon gut. Er wird es verstehen.“
    „Tut mir leid“, murmelt Colin zum wohl hundertsten Mal seit letzter Nacht und ich hoffe, ich kann ihm diese Schuldgefühle so schnell wie möglich ausreden, bevor sie zu einem Problem werden.
    „Das muss es nicht. Kilian wird es verstehen, Colin.“
    Er seufzt und nickt dann, was für mich ausreicht, um aufzustehen und Kilian nach oben in sein Zimmer zu folgen. Unser Sohn hat auf mich gewartet, er sitzt neben seinem Rucksack auf dem Bett und sieht mich ängstlich an, als ich das Zimmer betrete.
    „Geht es Dad gut?“
    Ich nicke und setze mich neben Kilian. „Er braucht Zeit, um zu verarbeiten, was er mir erzählt hat.“
    „War es schlimm?“
    Ich nicke erneut. Mehr ist nicht nötig. Er weiß zwar nichts Genaues, aber Kilian ist kein Dummkopf. Im Gegenteil. Vielleicht wird Colin eines Tages bereit sein, Kilian zu erzählen, was ihm damals passiert ist. Wir werden es sehen. Diese Entscheidung darf und werde ich ihm nicht vorwegnehmen.
    „Passt du auf ihn auf, Dad?“, fragt Kilian leise und lehnt sich an mich.
    „Versprochen.“
    „Rufst du mich an?“
    „Jeden Abend“, verspreche ich ihm, worauf Kilian sich auf die Unterlippe beißt und kurz überlegt, bevor er den Rucksack zwischen uns wegschiebt und mich umarmt. Darauf habe ich gewartet. Ich ziehe ihn zu mir auf

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