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Kleine Einblicke

Kleine Einblicke

Titel: Kleine Einblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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und mir dann eine Salbe hinhält. „Was ist das?“
    „Für Prellungen und gegen die Schmerzen.“
    Wie ich es mir gedacht habe. Ich greife nach der Salbe. „Danke.“
    „Benutz' sie und sag' mir derweil, was du fürs Kochen brauchst. Ich will nicht, dass du wegen der Unordnung in unseren Schränken einen Herzinfarkt kriegst.“
    Dieser Anwalt ist wirklich ein Mistkerl. „So war das gar nicht gemeint und das weißt du“, murre ich, worauf Adrian mir neckend zuzwinkert, was in dem Fall auch eine Antwort ist. „Schon gut.“
    „Also? Was brauchst du?“
    Während ich meine Rippen einschmiere, zähle ich die Zutaten auf und Adrian holt sie aus den Schränken. Frisches Rindfleisch haben sie nicht, aber das Gefrorene geht auch. Das Ketschup aus der Flasche ist da schlimmer, aber ohne Tomaten bleibt mir leider keine andere Wahl. Adrian grinst nur amüsiert, als ich ihm seufzend mein Leid klage. Ja, ich weiß, ich bin bei solchen Kleinigkeiten viel zu pingelig, besonders wenn ich den Kopf voll habe, aber Colin hat sich längst daran gewöhnt, dass ich beim Kochen allgemein auf frische Zutaten bestehe, ich kann da nicht aus meiner Haut.
    „Was ist los, Mik?“, fragt Adrian einige Zeit später, da habe ich gerade den ersten Schwung Spaghetti auf den Herd gestellt.
    „Hm?“, mache ich ratlos, weil ich nicht weiß, was er meint.
    Adrian lehnt sich neben mich an die Arbeitsplatte. „Colins Verhalten empfinde ich als normal, in Anbetracht der Umstände. Deines ist es allerdings nicht.“
    Mist. Adrian ahnt etwas. Dabei hatte ich gehofft, er würde es nicht bemerken. Jedenfalls nicht sofort. „Ich weiß nicht, was du meinst.“
    „Doch, das tust du. Was ist gestern abgelaufen?“
    „Das habe ich dir doch vorhin erzählt“, wiegle ich ab und stelle das Fleisch in die Mikrowelle, um es aufzutauen. „Ich habe ihn provoziert und er hat mir dafür eine reingehauen.“
    „Ich meine nicht euren Streit“, erklärt Adrian genauer und beschert mir eine Gänsehaut, als klar wird, dass er bei meiner Erzählung wieder zwischen den Zeilen gelesen hat. Ich kenne niemanden, der das so perfekt beherrscht wie dieser Anwalt. „Ich meine das, was dabei in deinem Kopf ablief und was der Grund dafür ist, dass du mir kaum in die Augen sehen kannst, seit ich euch die Tür aufgemacht habe.“
    Verdammt. Er weiß es wirklich. Ich suche Adrians Blick. „Was ich alles zu ihm gesagt habe, um ihn aus der Reserve zu locken...“ Mit einem Kopfschütteln wende ich mich der Mikrowelle zu, die durch einen Piepton verkündet hat, dass das Fleisch fertig ist. „Ich habe mich unmöglich verhalten.“
    „Erzähl's mir“, bittet Adrian und ich erfülle ihm seinen Wunsch, während ich mich weiter ums Essen kümmere. „Das ist doch Unsinn!“, flucht Adrian, als ich zu Ende gesprochen habe, und wirft mir einen verärgerten Blick zu, als ich ihn ansehe. „Fängst du jetzt etwa genauso an wie Colin? Reicht es denn nicht, dass er vor Schuldgefühlen am liebsten im Boden versinken würde?“
    „Ich hätte einen anderen Weg finden müssen“, werfe ich ein, doch Adrian winkt ab.
    „Mag ja sein, aber in dem Moment ist dir eben kein anderer Weg eingefallen. Außerdem hast du erreicht, was keinem von uns bisher gelungen ist, denn er hat endlich begriffen, dass er ein Missbrauchsopfer ist. Manchmal heiligt der Zweck die Mittel, Mik, das ist einfach so. Sei für ihn da, wenn er deine Nähe sucht, denn die braucht er. Keinen Märtyrer, der sich selbst leidtut.“
    So langsam begreife ich, was Colin damit meinte, als er mir mal erzählte, dass er mit Adrian immer reden kann, weil der so einen gewissen Ton an sich hat, für den Colin keine Beschreibung fand. Anwaltston hat er es genannt, und das passt wirklich zu Adrian. Was dieser Mann sagt, hat Hand und Fuß, auch wenn es mir nicht gefällt. Es ist richtig, dass er mir seine Meinung schonungslos um die Ohren haut, weil alles andere weder Colin noch mir helfen würde. Und wo wir schon dabei sind, es gibt da etwas, das mir seit letzter Nacht nicht mehr aus dem Kopf geht.
    „Wieso hat Colin sich damals überhaupt auf mich eingelassen?“ Ich wende mich von Adrian ab, um die Spaghetti abzugießen. „Ich meine, ich verstehe es einfach nicht. Wie konnte er es ertragen, nachdem was passiert war?“
    „Frag' ihn. Er ist der Einzige, der dir das sagen kann.“
    Das ist mir klar, aber ich will Adrians Meinung dazu hören. „Ich frage dich, weil ich genau weiß, dass du dir darüber auch Gedanken gemacht

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