Kleine Einblicke
„Ja.“
Tief durchatmen und jetzt bloß nichts Falsches sagen. Bloß nicht laut werden und ihn anschreien, was ich am liebsten tun würde, aber das würde er in den falschen Hals bekommen. Ich werde Colin nicht antworten. Jedenfalls nicht sofort, denn sonst haben wir gleich den schönsten Streit und das muss nicht sein. Vielleicht kann ich ihn durch einen Umweg überzeugen, dass sich zwischen uns nichts geändert hat und auch nicht ändern wird.
„Wieso hast du dich damals auf mich eingelassen?“
Colin sieht mich verdutzt an. „Was?“
„Unsere Beziehung. Warum ich?“
Ein nicht sehr subtiler Themenwechsel, das muss ich zugeben, aber ich will es wissen. Nachdem, was Adrian mir dazu gesagt hat, brauche ich eine Antwort auf diese Frage, denn ansonsten werde ich in Zukunft immer überlegen, ob etwas, das ich tue, Colin ungewollt an seine Vergangenheit erinnern könnte. Ich brauche diese Sicherheit zu wissen, ob er damit klarkommt, dass wir ein Paar sind. Dass wir Sex haben. Dass wir ein gemeinsames Leben führen.
„Soll das heißen, dass du denkst, unsere Beziehung ist ein Fehler?“
„Was? Nein!“ Wie kommt er denn darauf? Seine Gedankensprünge sind unglaublich. Ich schüttle den Kopf. „Ich denke nicht, dass unsere Beziehung ein Fehler ist. Im Gegenteil. Ich will nur wissen, wie du es nach dieser Erfahrung im Spielzimmer überhaupt geschafft hast, mit mir eine Beziehung anzufangen und Sex zu haben.“
„Du willst dich nicht von mir trennen?“, fragt er leise und reibt sich nervös eine Hand an der Bettdecke ab.
Ich brauche einen Moment, um den Sinn dahinter zu verstehen. Die Hand muss feucht sein vor Angstschweiß. Er hat wirklich Angst. Colin glaubt tatsächlich, ich könnte ihn deswegen verlassen wollen. Himmel noch mal. Ich schüttle erneut den Kopf und sehe Colin dabei in die Augen, damit er begreift, dass ich die Wahrheit sage.
„Ich liebe dich. Daran wird sich nicht das Geringste ändern, Colin.“
Er schweigt eine Weile und ich kann förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitet, wie er über meine Worte nachdenkt. Hoffentlich reicht es diesmal aus. Hoffentlich glaubt er, was ich sage und vertraut darauf, dass ich ihn nicht anlüge. Ich weiß nämlich nicht, wie ich ihn von meinen Gefühlen überzeugen soll, wenn er jetzt noch weiter vor mir zurückweicht. Ich kann ihn schlecht ins Bettlaken pressen und mit ihm schlafen, um ihm zu zeigen, wie ich fühle. Das werde ich nach letzter Nacht sowieso nicht. Colin muss in dieser Hinsicht den ersten Schritt machen, damit ich sicher sein kann, dass er es wirklich will.
„Ich hatte immer Angst, dass du mich anders ansiehst, wenn du es weißt. Dass du vielleicht denkst, ich wäre selber Schuld daran, weil ich mitgegangen bin. Dass du mit mir keine Beziehung mehr willst, weil ich mich damals nicht sofort gegen diese Typen gewehrt habe. Dass du mich für einen Feigling hältst.“
Diese Männer haben mehr kaputtgemacht, als mir bewusst war, das begreife ich langsam. Der Mensch, den ich vor Jahren kennengelernt und in den ich mich verliebt habe, war nur ein ganz kleiner Teil von Colin. Der Mann, der jetzt neben mir sitzt, das ist Colin pur, genau wie er damals war. Jung. Verletzlich. Auf der Suche nach sich selbst und einem Ort, an dem er in Sicherheit ist und wo er geliebt wird.
Ich lege mich hin, schalte das Licht aus und strecke meine Hand nach ihm aus. Nach kurzem Zögern ergreift Colin sie und legt sich an meine Seite. „Du bist nicht Schuld. Diese Typen sind es. Du bist kein Feigling. Ich habe das nie von dir gedacht und tue es auch jetzt nicht, nachdem du mir davon erzählt hast. Ich werde dich nicht anders behandeln oder anders ansehen. Allerdings werden wir darüber reden müssen, wie es mit dem Thema Sex weitergeht, denn ich habe Angst, etwas falsch zu machen und dir unabsichtlich Angst zu machen.“
„Das hast du nie getan.“ Colin hebt den Kopf, um mich anzusehen. „Genau deshalb bin ich damals mit dir in dieses Hotel gegangen, Mik. Frag' mich nicht, woher ich es wusste, aber ich war mir sicher, dass du nichts von mir verlangen würdest. Dass du...“ Er bricht ab und überlegt einen Moment. „Mir fällt kein Wort dafür ein, aber beim Spielen nennt man das unterordnen, soweit ich weiß.“
Es ist wirklich so wie Adrian vermutet hat. „Willst du wissen, was Adrian gesagt hat, als ich ihn danach fragte?“
„Ja.“
„Er denkt, du konntest dich auf mich einlassen, weil ich es immer dir überlasse habe, wie es zwischen
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