Kleine Fische zählen nicht
grinste. »Ist doch kinderleicht. Sie haben die übliche Schau aufgezogen. Bevor sie mir in einer Reihe mit ein paar anderen Mädchen vorgeführt wurde, haben sie sie mir so im Vorbeigehen gezeigt. Die Burschen sind doch nicht auf den Kopf gefallen. Sie lassen einen die Person, die man identifizieren soll, vorher sehen, und natürlich fischt man sie später auf Anhieb heraus.«
»Sie haben das anscheinend schon öfter mitgemacht?«
»Ein halbes dutzendmal«, sagte er. »Als Taxifahrer erlebt man in der Spätschicht allerhand, das kann ich Ihnen flüstern.«
»Sind Sie sicher, daß Sie die Richtige identifiziert haben?«
»Aber ja. Die Gegenüberstellung war ganz überflüssig. Sie hat ja der Taxizentrale meinen Namen genannt.«
»Wieso?«
»Ach, mit der Zeit kennt man einige von den Mädchen, die auf einen leichten Verdienst aus sind, und sie bevorzugen natürlich gern Fahrer, die den Mund halten. In diesen Kreisen spricht es sich schnell herum, ob ein Fahrer okay ist oder nicht. Die Puppe von gestern rief an, fragte nach Hermann und wollte wissen, ob ich vielleicht zufällig in ihrer Gegend wäre und — übrigens, die Fahrt hat sie mir auch nicht bezahlt, und so was vergißt man nicht, das werden Sie verstehen.«
»Ist sie schon mal mit Ihnen gefahren?«
»Sicher. Ich hab’ sie schon früher zu derselben Adresse befördert. Ich... He, was ist das?«
Ein Polizeiauto fuhr dicht auf, das rote Blinklicht begann zu pulsieren und überflutete die linke Seite des Taxis mit gleißender Helligkeit. Oakley schwenkte rechts heran und bremste.
Der Fahrer des Polizeiwagens hielt neben dem Taxi, und Sergeant Sellers stieg aus.
»Was sehen meine entzündeten Augen?« sagte er. »Die halbe Portion in voller Lebensgröße und wieder mal beim alten Spielchen! Mir schwante so was. Sie können’s einfach nicht lassen, ständig Ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken und alles durcheinanderzubringen. Steigen Sie aus! « brüllte er.
»Sie sind wohl nicht bei Trost«, protestierte ich empört. »Ich darf doch wohl noch Taxi fahren und...«
»Aussteigen!« zischte Sellers.
»Also, hören Sie mal, ich...«
Sellers riß die Tür auf, packte mich am Rockaufschlag und zerrte mich aus dem Taxi.
»Wieviel zeigt die Uhr an, Oakley?« fragte er.
»Bis jetzt bloß einen Dollar und zehn Cent.«
»Eine Rundfahrt kostet zwei zwanzig«, sagte Sellers, »plus dreißig Cent Trinkgeld: macht insgesamt zwei fünfzig. Geben Sie dem Fahrer zwei Dollar fünfzig, halbe Portion.«
»Also, wissen Sie«, sagte ich, »Sie haben nicht das Recht, mich zu...«
Sellers gab mir einen Puff in die Rippen.
»Geben Sie ihm zweieinhalb Dollar«, befahl er.
Ich gehorchte.
»Hauen Sie ab«, sagte Sellers zu Oakley, »und lassen Sie sich mit diesem Burschen hier nicht mehr ein — er ist reines Gift.«
Der Sergeant wartete, bis das Taxi verschwunden war, und faßte mich dann scharf ins Auge. »Ich will verdammt sein, wenn Sie nicht ’ne ordentliche Tracht Prügel verdient haben. Das könnte Sie vielleicht endlich lehren, sich nicht in die polizeilichen Ermittlungen einzuschalten.«
Ich wußte, was in der Luft lag, und mußte schnell sprechen, wenn ich ungeschoren davonkommen wollte.
»Falls Sie sich mal anhören würden, was ich zu sagen habe und mich ausreden ließen, würden Sie Ihren Mordfall bestimmt schneller aufklären«, begann ich.
»Ihnen soll ich zuhören?«
»Ja, mir.«
Sellers überlegte einen Moment. »Okay, Bürschchen, ich höre. Aber kommen Sie mir nicht mit dem üblichen Gewäsch, liefern Sie Nägel mit Köpfen. Und bilden Sie sich ja nicht ein, daß Sie durch Ablenkung um Ihre Abreibung kommen.«
»Wir wurden als Leibwache für Marilyn Chelan engagiert«, erklärte ich. »Sie war unsere Klientin. Der Kerl bezahlte nur die Rechnung.«
»Ich weiß.«
»Bertha wurde ein Schlafmittel verabreicht und...«
»Um Himmels willen, halbe Portion, erzählen Sie mir endlich was Neues. Versuchen Sie nicht, mir so olle Kamellen anzudrehen.«
»Der Mann, der uns engagierte, hieß Jarvis C. Archer und hat eine leitende Position in der Firma, für die auch Marilyn Chelan arbeitete.«
»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach er mich.
»Na schön, jetzt kommt was, das Sie noch nicht wissen. Archer war der Urheber der anonymen Telefonanrufe und Drohbriefe.«
»Klar war er es«, sagte Sellers. »Er mußte es ja sein. Die zwei, er und die Puppe, arbeiteten zusammen, damit sie ein Alibi für die Nacht hatte. Das weiß ich, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher