Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kleine Freie Männer

Kleine Freie Männer

Titel: Kleine Freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Irgendwer.
    »Vielleicht ist mein kleiner Bruder noch bei ihr!«, sagte Tiffany, hob nervös die Pfanne und blickte in die blauen Schatten zwischen den Bäumen.
    »Und? Wir finden eine Möglichkeit, ihn zu stehlen! Sie is' die Königin! Von Angesicht zu Angesicht kann man sie nicht besiegen!«
    Das Pochen der Hufe wurde lauter. Es klang nach mehr
    als nur einem Tier.
    Ein Hirsch erschien zwischen den Bäumen, und Dampf
    stieg von ihm auf. Aus großen roten Augen starrte er
    Tiffany an, dann sprang er und setzte über sie hinweg. Sie nahm seinen Geruch wahr, als sie sich duckte, fühlte seinen Schweiß im Nacken.
    Es war ein echtes Tier. Einen solchen Geruch konnte
    man sich nicht einbilden.
    Und dann kamen die Hunde …
    Den ersten traf sie mit der Pfannenkante, und er rollte durch den Schnee. Der andere drehte sich um und wollte nach ihr schnappen, doch dann sah er verblüfft nach unten, als unter jeder seiner Pfoten Kobolde aus dem Schnee
    wuchsen. Es war schwer, jemanden zu beißen, wenn sich
    alle vier Beine in unterschiedliche Richtungen bewegten.
    Weitere Kobolde landeten auf seinem Kopf, und bald
    wurde es unmöglich für ihn, jemals wieder irgendetwas zu beißen. Die Wir-sind-die-Größten hassten Todeshunde.
    Tiffany sah zu einem weißen Pferd auf. Es war ebenfalls echt, soweit sie das feststellen konnte. Ein Junge saß darauf.
    226
    »Wer bist du? « , fragte er. Es klang wie: »Was für ein Ding bist du?«
    »Wer bist du?«, erwiderte Tiffany und strich sich die
    Haare aus den Augen. Etwas Besseres fiel ihr derzeit nicht ein.
    »Dies ist mein Wald«, sagte der Junge. »Ich verlange, dass du tust, was ich dir sage!«
    Tiffany sah ihn genauer an. Das matte, wie abgenutzte
    Licht des Märchenlands taugte nicht viel, aber je länger sie schaute, desto sicherer wurde sie. »Du heißt Roland, nicht wahr?«
    »Du wirst nicht auf diese Weise zu mir sprechen!«
    »Ja, so heißt du. Du bist der Sohn des Barons!«
    »Ich befehle dir, still zu sein!« Das Gesicht des Jungen war jetzt seltsam, verkniffen und rosarot, als versuchte er, nicht zu weinen. Er hob die Hand, in der er eine
    Reitpeitsche hielt…
    Tiffany vernahm ein leises ›Twäpp‹ und blickte nach
    unten. Die Wir-sind-die-Größten hatten eine Pyramide
    unter dem Bauch des Pferds gebildet; und einer von ihnen war auf die Schultern der anderen geklettert, um den
    Sattelgurt durchzuschneiden.
    Tiffany hob die Hand. »Rühr dich nicht!«, rief sie in
    kommandierendem Tonfall. »Wenn du dich bewegst, fällst du vom Pferd!«
    »Ist das ein Zauber? Bist du eine Hexe?« Der Junge ließ die Peitsche fallen und zog einen langen Dolch hinter dem Gürtel hervor. »Tod den Hexen!«
    Er trieb das Pferd an, und es folgte einer jener langen 227
    Momente, in denen das ganze Universum »Oh, oh« sagt.
    Der Junge hielt weiter den Dolch, als er sich um das Pferd drehte und im Schnee landete.
    Tiffany wusste, was als Nächstes geschehen würde. Rob
    Irgendwers Stimme hallte zwischen den Bäumen wider:
    »Jetzt bisse in Schwierigkeiten, Kumpel! Packt ihn!«
    »Nein!«, rief Tiffany. »Tut ihm nichts!«
    Der Junge krabbelte rückwärts und starrte Tiffany
    entsetzt an.
    »Ich kenne dich«, sagte sie. »Dein Name ist Roland. Du bist der Sohn des Barons. Es heißt, du wärst im Wald
    gestorben…«
    »Sprich nicht darüber!«
    »Warum nicht?«
    »Weil dann schlimme Dinge passieren!«
    »Sie passieren ohnehin«, sagte Tiffany. »Ich bin hierher gekommen, um meinen kleinen Bruder zu …«
    Der Junge war aufgestanden und lief durch den Wald
    davon. Er drehte den Kopf und rief: »Lass mich in Ruhe!«
    Tiffany lief ihm nach, sprang über schneebedeckte
    Baumstämme hinweg und sah den Jungen vor sich von
    Baum zu Baum eilen. Dann blieb er stehen und sah zurück.
    Sie näherte sich ihm und sagte: »Ich kann dich
    zurückbringen …«
    … und sie tanzte.
    Sie hielt die Hand eines Papageis beziehungsweise einer Person mit dem Kopf eines Papageis.
    Ihre Füße bewegten sich perfekt unter ihr. Sie drehten 228
    sie, und diesmal fand ihre Hand die eines Pfaus
    beziehungsweise einer Person mit dem Kopf eines Pfaus.
    Tiffany sah über die Schulter und stellte fest, dass sie sich in einem Raum, nein, in einem Ballsaal voller tanzender Maskierter befand.
    Äh, dachte sie. Ein anderer Traum. Ich hätte besser
    darauf achten sollen, wohin ich gegangen bin …
    Die Musik war seltsam. Sie hatte eine Art Rhythmus,
    aber er klang gedämpft und sonderbar, wie unter Wasser rückwärts gespielt, von

Weitere Kostenlose Bücher