Kleine freie Männer
geschlossen, als Tiffany hereinkroch, doch die Lider klappten nach oben, als das Mädchen verharrte. Es waren die schärfsten Augen, die Tiffany je gesehen hatte, noch schärfer als die von Fräulein Tick.
»So-oh... Du bist also Sarah Wehs kleines Mädchen?«, fragte die Kelda.
»Ja«, erwiderte Tiffany. Es war nicht besonders bequem, auf dem Bauch zu liegen. »Und du bist die Kelda?«
»Ja«, bestätigte die Kelda, und das runde Gesicht wurde zu einem Labyrinth aus Falten, als sie lächelte. »Wie lautet dein Name?«
»Tiffany, äh, Kelda.« Fion war aus einem anderen Teil der Höhle gekommen, nahm auf einem Stuhl neben dem Bett Platz und sah Tiffany missbilligend an.
»Ein guter Name. In unserer Sprache wärst du Tir-far-thöinn, Land Unter Der Welle«, sagte die Kelda. Es klang wie »Tiffan«.
»Ich glaube, niemand wollte, dass ich... «
»Ach, was Leute wollen und was getan wird, sind zwei völlig verschiedene Dinge«, sagte die Kelda. Ihre kleinen Augen leuchteten. »Dein kleiner Bruder ist... in Sicherheit, Kind. Man könnte sagen, dass er dort, wo er sich jetzt aufhält, sicherer ist als jemals zuvor. Gewöhnliche Gefahren erreichen ihn dort nicht, und die Königin wird ihm kein Haar auf seinem Kopf krümmen. Und das ist das Unheilvolle. Hilf mir auf, Mädchen.«
Fion sprang sofort auf und half der Kelda, als sie sich inmitten der Kissen höher aufsetzte.
»Wo war ich gerade?«, fuhr die Kelda fort. »Ah, der kleine Junge. Ja, man könnte sagen, dass es ihm dort, wo er jetzt ist, im Land der Königin, gut geht. Aber seine Mutter grämt sich vermutlich, oder?«
»Und auch sein Vater«, sagte Tiffany.
»Und seine kleine Schwester?«, fragte die Kelda.
Tiffany fühlte, wie die Worte »Ja, natürlich« automatisch auf ihre Zunge traten. Sie wusste auch, dass es sehr dumm gewesen wäre, sie weiter gehen zu lassen. Die Augen der kleinen, alten Frau sahen ihr direkt in den Kopf.
»Ja, du bist eine geborene Hexe, kein Zweifel«, sagte die Kelda und hielt den Blick auf sie gerichtet. »Du hast das zusätzliche kleine bisschen in deinem Kopf, das immer festhält. Das kleine Etwas, das den Rest von dir beobachtet. Du hast den Ersten Blick und die Zweiten Gedanken, und es ist ein kleines Geschenk und eine große Last für dich. Du siehst und hörst, was anderen verborgen bleibt, die Welt zeigt dir ihre Geheimnisse, aber du bist immer wieder die Person auf einer Party, die in der Ecke sitzt und nicht mit den anderen feiern kann. Es gibt da ein kleines bisschen in deinem Kopf, das nicht schmilzt und nicht fließt. Sarah
Wehs Blut fließt in deinen Adern, ganz klar. Die Jungs haben die Richtige geholt.«
Tiffany wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, deshalb sagte sie gar nichts. Die Kelda beobachtete sie mit funkelnden Augen, bis Tiffany verlegen wurde.
»Warum hat die Königin meinen Bruder entführt?«, fragte sie schließlich. »Und warum hat sie es auf mich abgesehen?«
»Glaubst du, dass sie es auf dich abgesehen hat?«
»Ja, das glaube ich tatsächlich! Ich meine, Jenny mag ein Zufall gewesen sein, aber der Reiter? Und die Todeshunde? Und Willwolls Entführung?«
»Sie beugt dir ihr Selbst entgegen«, sagte die Kelda. »Wenn sie das macht, geht etwas von ihrer Welt in diese über. Vielleicht möchte sie dich auf die Probe stellen.«
»Mich auf die Probe stellen?«
»Um herauszufinden, wie gut du bist. Du bist jetzt die Hexe, die über die Ränder und Tore wacht. So wie deine Oma, obwohl sie sich nie Hexe genannt hat. Und so wie ich bis jetzt; ich gebe die Aufgabe an dich weiter. Die Königin muss dich überwältigen, wenn sie dieses Land will. Du hast den Ersten Blick und die Zweiten Gedanken, wie deine Großmutter. Das ist selten bei den Großen.«
»Meinst du vielleicht das Zweite Gesicht?«, fragte Tiffany. »Wie Leute, die Geister und so sehen.«
»Ach, nein. Das ist die typische Denkweise der Großen. Der Erste Blick bedeutet, dass du die Dinge siehst, die tatsächlich da sind, und nicht die Dinge, von denen dein Kopf behauptet, dass sie da sein sollten. Das Zweite Gesicht hingegen zeigt einem nur das, was man erwartet. Die meisten Großen sehen so etwas. Hör mir gut zu, denn es geht mit mir zu Ende, und es gibt viel, das du noch nicht kennst. Du hältst dies für die einzige Welt? Das ist ein guter Gedanke für Schafe und Sterbliche, die ihre Augen nicht öffnen. Denn in Wirklichkeit gibt es mehr Welten als Sterne am Himmel. Verstehst du? Sie sind überall, groß und klein, so nah wie
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