Kleine freie Männer
sein?«, erklang eine Stimme an Tiffanys Ohr.
Sie drehte den Kopf und sah William den Dudler auf einer der Galerien an der Höhlenwand.
Aus der Nähe gesehen unterschied er sich von den anderen Größten, stellte Tiffany fest. Sein Haar war ordentlicher und bildete einen Zopf. Er hatte nicht so viele Tätowierungen. Er sprach auch anders als die anderen.
»Äh, ja«, sagte Tiffany. »Warum kann Fion nicht die Kelda sein?«
William nickte. »Eine gute Frrrage«, sagte er höflich. »Aber weißt du, eine Kelda kann nicht ihren Brrruder heirrraten. Sie muss zu einem anderen Clan gehen und dort einen Krieger zum Mann nehmen.« Sein R klang gelegentlich wie ein Trommelwirbel.
»Und warum kann dieser Krieger nicht hierher kommen?«
»Weil er den hiesigen Größten unbekannt wäre. Sie hätten keinen Rrrespekt vor ihm.« Bei William klang »Respekt« wie eine Lawine.
»Oh. Und was war das mit der Königin? Du wolltest etwas über sie sagen, und die anderen haben dich daran gehindert.«
William wirkte verlegen. »Ich glaube nicht, dass es mir erlaubt ist, darüber mit dirrr zu rrreden...«
»Ich bin derzeit die Kelda«, sagte Tiffany steif.
»Ja. Nun... wir haben einmal in der Welt der Königin gelebt und ihr gedient, bevor sie so kalt wurde. Aber sie legte uns herein, und wir rrrebellierten. Es war eine dunkle Zeit. Sie mag uns nicht. Und mehr sage ich nicht«, fügte William hinzu.
Tiffany beobachtete, wie Größte den Raum der Kelda betraten und ihn wieder verließen. Etwas ging dort vor.
»Sie begraben sie in einem anderen Teil des Erdhügels«, erklärte William, ohne ihre Frage abzuwarten. »Bei den anderen Keldas dieses Clans.«
»Ich dachte, sie würden... lauter sein«, sagte Tiffany.
»Sie warrr ihre Mutter«, entgegnete William. »Sie wollen nicht rufen. Ihre Herzen sind zu voll für Worrrte. Wenn sie bereit sind, veranstalten wir eine Feier, um ihr bei der Rückkehr ins Land der Lebenden zu helfen, und dabei wird es ziemlich laut zugehen. Wir werden den Fünfhun-dertzwölfer-Reel tanzen, zur Melodie von >Der Teufel unter den Anwälten<, und wirrr essen und trinken, und ich wage zu behaupten, dass meine Neffen Kopfschmerzen so groß wie ein Schaf haben werden.« Der alte Größte lächelte kurz. »Aber zunächst erinnert sich jeder Größte stumm an sie. Weißt du, wir trauern nicht so wie die Menschen. Wir trauern um jene, die zurückbleiben müssen.«
»War sie auch deine Mutter?«, fragte Tiffany leise.
»Nein. Sie warrr meine Schwester. Hat sie dir nicht gesagt, dass eine Kelda einige ihrer Brüder mitnimmt, wenn sie zu einem neuen Clan geht? Allein unter Frrremden wirrrd einem das Herz zu schwer.« Der Dudler seufzte. »Im Lauf der Zeit, wenn die Kelda geheiratet hat, ist der Clan voll von ihren Söhnen, und dann gibt es keine Einsamkeit mehr für sie.«
»Aber für dich dürfte es recht einsam sein«, sagte Tiffany.
»Du bist schnell von Begrrriff, das muss ich dir lassen«, erwiderte William. »Ich bin der Letzte von denen, die hierher gekommen sind. Wenn dies vorbei ist, bitte ich die nächste Kelda um Erlaubnis, zu meinem Volk in den Bergen zurückzukehren. Dies ist ein guuutes Land, und meine Neffen haben hier einen guuuten Clan, aber ich möchte in der Heide sterben, wo ich geboren bin. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, Kelda... «
Er ging fort und verschwand in der Düsternis der Höhle.
Tiffany wollte plötzlich nach Hause. Vielleicht lag es nur an Williams Trauer, aber sie fühlte sich plötzlich wie eingesperrt im Erdhügel.
»Ich muss hier raus«, murmelte sie.
»Gute Idee«, sagte die Kröte. »Du musst den Ort finden, wo die Zeit nicht stimmt.«
»Wie soll ich das machen?«, jammerte Tiffany. »Man kann Zeit nicht sehen!«
Sie schob die Arme durch das Zugangsloch und kroch nach draußen an die frische Luft...
Es gab eine große alte Uhr im Farmhaus, die einmal in der Woche gestellt wurde. Wenn Tiffanys Vater den Markt in Reusenquell besuchte, schrieb er dort auf, wie die Zeiger der großen Uhr standen, und wenn er wieder zu Hause war, schob er die Zeiger der Farmhausuhr an die entsprechenden Positionen. Eigentlich war die Uhr nur ein Schmuckstück. Wenn man wissen wollte, wie spät es war, sah man zur Sonne. Die Sonne konnte nicht nachgehen.
Tiffany lag zwischen den Dornbüschen und hörte ihre Blätter im Wind rascheln. Der Erdhügel war wie eine kleine Insel im endlosen Grasland. Späte Primeln und sogar einige Fingerhüte wuchsen hier im Schutz des
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