Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
einer Burg im Winter ordentlich zu heizen war schwierig, obwohl es meist eine Feuerstelle gab. In der kalten Jahreszeit war das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens die Kemenate;der Name kommt vom darin befindlichen Kamin. Es war zwar nicht, wie manche meinen, das exklusive Frauenzimmer, aber die Damen hielten sich sehr häufig dort auf; auch, weil ihre Nadelarbeit keine klammen Finger duldete. In größeren Burgen – exemplarisch in der Burg des König Artus – haben die Frauen einen eigenen Wohnbereich, wo weibliche Gäste empfangen werden und in Ruhe baden konnten. Auch Herzog Friedrich II. hatte in seiner Musterburg Starkenberg ein Frauenquartier vorgesehen; verheiratet war er zu der Zeit jedoch nicht.
Eigene Schlafräume hatten, außer den Herrschaften, nur wenige Leute. Für fast alle Räume von Burgen werden noch in spätmittelalterlichen Inventaren Betten und Strohsäcke erwähnt. Der Geistliche der Kapelle hatte, weil er auch Schreiber war, wohl einen heizbaren Raum. Das Gesinde drängte sich in der Küche, wenn es Zeit hatte, sich zu wärmen. Schlafplätze im oder über dem Stall waren wegen der Wärme der Tiere recht beliebt. Ähnliches gilt für die Unterbringung des Gesindes auf den Bauernhöfen.
Ausstattung
Die Innenräume der meisten erhaltenen Bauten zeigen heute unverputzten Stein. Das wäre in Wohnräumen aufgrund des Raumklimas kaum auszuhalten. Man muss sich entweder Stoff- und Lederbehänge an den Wände vorstellen, oder eine innen wie eine Schachtel eingebaute Holzkonstruktion.
In vielen Quellen wird von der Bemalung der Innenräume berichtet, von der leider erst ab etwa 1200 Überreste erhalten sind. Manchmal, wie in der Kapelle des Göttweiger Hofes in Krems an der Donau, sind an der Malerei sogar die Stoffe, ihre Muster und die Art ihrer Aufhängung erkennbar. Auch dort gab es wohl davor noch einen textilen Wandbehang. Man muss sich also die Innenräume recht bunt vorstellen.
In der «Bilderburg» Runkelstein bei Bozen bekommt man auch eine gute Vorstellung davon, obwohl die Ausstattung mit Freskenzu den Sagen von Artus und Tristan erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts von reichen Bozner Kaufleuten in Auftrag gegeben wurde. In Rodenegg am Eingang zum Pustertal wurden über einer Zwischendecke Fresken zum Iwein, der bekannten Dichtung Hartmanns von Aue (S. 77) aus dem frühen 13. Jahrhundert entdeckt. Dasselbe Thema haben auch die Bilder im Hessenhof in Schmalkalden, der ein Verwaltungszentrum der Landgrafen von Thüringen war. Ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert stammen die Fresken in der Burg des Stadtrichters Gozzo in Krems, unter anderem mit Darstellungen zu einer Legendendichtung, die um 1225 der Dichter Rudolf von Ems verarbeitet hat, Barlaam und Josaphat (S. 89).
Abb. 8: Wappenreihe und Tanzszene an der Ostwand im Brunnenhof, Zürich
(Zeichnung Beat Scheffold)
Mehrfach haben sich – wie beispielsweise in der Gozzoburg – Wappensäle erhalten, welche die Familie der Auftraggeber symbolisch in die Welt des Adels und der Heroen eingliedern. Dieser Art von Repräsentation folgte in den 30er Jahren des 14. Jahrhunderts auch eine jüdische Familie in Zürich, wo man Freskenzum Neidhart-Thema (S. 91) und einen Wappenfries fand; die Stichworte für den Maler waren in hebräischen Lettern vorgeschrieben. Etwa aus der gleichen Zeit stammen die Neidhart-Fresken in Wien in einem Bürgerhaus in den Tuchlauben.
Unterhaltung: Klassische Stoffe und andere Dichtungen
Nicht nur vom Schweinehändler im «Zigeunerbaron» von Johann Strauß hören wir, das Schreiben und das Lesen sei nie sein Fach gewesen. Auch einer der größten Dichter des Mittelalters, Wolfram von Eschenbach († um 1220) behauptet,
ichne kan deheinen buoch- stap,
ich kann keinen Buchstaben (Parzival 115, 27, nach Ps 70, 15 in der lateinischen Vulgata-Version). Das heißt nicht, dass er nicht mit Schriftlichkeit umgehen konnte, sondern dass er als Adeliger einen Schreiber hatte und sich nicht selbst die Mühe machte, schöne Schrift zu üben. Von Kaiser Karl dem Großen heißt es, er habe sich bemüht, schön schreiben zu lernen, von Kaiser Otto dem Großen aber, er habe seine Frau Adelheid gebeten, ihm einen Brief vorzulesen.
Kulturell interessierte Herren sammelten Handschriften, beauftragten Schreiber, ihnen Texte zu bestimmten Themen zu kopieren und zu übersetzen, und finanzierten auch die Herstellung kostbarer Handschriften, z.B. von Predigten oder von besonders beliebten Dichtungen. Dichter blieben gerne eine
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