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Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
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nicht nur vor Feinden, sondern auch vor den Begehrlichkeiten der eigenen Leute und Nachbarn –, hatten aber auch einen hohen Prestigewert. Ebenso wie ein gutes Heer vor allem den Zweck erfüllt, den Gedanken an einen Angriff gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist alles an einer Burg darauf angelegt, dass es gar nicht zu einer Belagerung oder gar einem Eroberungsversuch kommt. Das heißt, die Verteidigungsanlagen müssen nicht nur funktionieren, sondern auch abschreckend aussehen. Darauf mag die bis heute anhaltende Faszination dieser Gebäude zurückgehen.
    Auf den erhöhten Burgplätzen entstehen zuerst «feste Häuser» aus Stein, auch repräsentative «Saalgeschoßhäuser», zu deren Halle im Obergeschoß eine außen liegende Holztreppe führt. Einige sehrdramatische Szenen im Schlussteil des Nibelungenlieds spielen auf der
stiegen
vor dem Saal auf der Etzelsburg (Aventüre 32).
    Ab dem 11. Jahrhundert kommt es zum Bau von Wohntürmen. Auch hier liegt der Eingang im ersten Stock, nur über eine Holztreppe erreichbar, die man bei Gefahr leicht abreißen konnte. Daneben gibt es innerhalb der jetzt meist aus Steinquadern errichteten Mauer eine Anzahl von Holzgebäuden, die leider bei den meisten Rekonstruktionen von Burgen fehlen. Allmählich entwickelt sich aus einer großen Formenvielfalt der klassische Typ einer Höhenburg mit Steinmauer, Burgtor, nahe daran liegender Burgkapelle, Turm- und Saalbau. Die Burgkapelle blieb als sakraler Raum am ehesten noch erhalten, wenn die Burg selbst längst außer Funktion geraten war. Sie war oft so klein, dass nur die Herrschaften darin Platz fanden.
    Einige der «Söller», kleine Anbauten an den Außenwänden, dienten als Abtritt, dessen Spuren man oft auf Bildern erkennen kann. Offenbar galt das als repräsentativer Komfort, sonst hätte man sie nicht so deutlich dargestellt. Das zugrunde liegende lateinische Wort
solarium
kann einfach Obergeschoß bedeuten. In größeren Sälen gibt es häufig eine erhöhte Holzkonstruktion, also eine Art Empore, die in den Quellen ebenfalls Söller heißt. Dort saßen die Familie der Burgherren und besondere Gäste.
    Im Turm kann es eine Schatzkammer geben. Auch die Burgkapelle kann einen Schatz, z.B. eine Reliquie, bergen. Neben den Zisternen, die hauptsächlich für Brauchwasser geeignet waren, hatten, wie erwähnt (S. 28), viele Burgen Wasserleitungen mit Holzröhren.
    Mehrmals wird in erzählenden Quellen ein
hâltürlîn
erwähnt, eine Hintertür, vor allem fürs Gesinde (z.B. Gottfried, Tristan 9324). Vorräte befinden sich entweder in Kellern, in Anbauten an die Küchengebäude oder unter dem Dach. Dazu muss man sich zahlreiche Tiere vorstellen, nicht nur Pferde, sondern auch Kleinvieh und Geflügel. Das Leben auf einer kleineren Burg ist, besonders im Winter, nicht angenehm, wie Oswald von Wolkenstein(† 1445) drastisch schildert. Die Ruine von Hauenstein auf der Seiser Alm in Südtirol steht noch:
Auff ainem runden kofel smal,
mit dickem wald umbfangen,
vil hoher berg und tieffe tal,
stain, stauden, stöck, snee stangen,
der sich ich teglich ane zal.
noch aines tüt mich pangen,
das mir der klainen kindlin schal
mein oren dick bedrangen,
hand durchgangen.

Wie vil mir eren ie beschach
von fürsten, künigin gefach,
und was ich freuden ie gesach,
das büss ich als under ainem dach.
mein ungemach,
der hatt ain langes ende.
Vil gütter witz, der gieng mir not,
seid ich müss sorgen umb das brot,
darzu so wirt mir vil gedrot,
und tröst mich niena mündli rot.
den ich ee bott,
die lassen mich ellende.
Wellent ich gugk, so hindert mich
köstlicher ziere sinder,
der ich e pflag, da für ich sich
neur kelber, gaiss, böck, rinder,
und knospot leut, swarz, hässeleich,
vast rüssig gen dem winder;
die geben müt als sackwein vich.

Also trag ich mein aigen swer;
teglicher sorg, vil böser mer
wirt Hauenstain gar seldn ler.
Auf einem Felsen, rund und steil,
von dichtem Wald umgeben,
viel hohe Berge und tiefe Täler,
Steine, Stauden, Stöcke, Schneestangen,
die sehe ich täglich ohne Zahl.
Noch eines bedrückt mich,
dass mir der kleinen Kinder Lärm,
meine Ohren heftig bedrängen
und durchdrungen haben.
Was mir an Ehren je zuteil wurde,
von Fürsten, Königinnen häufigy
und was an Freuden ich je sah
das büße ich unter einem Dach.
Mein Ungemach,
das zieht sich lange hin.
Viel Mutterwitz würde ich brauchen,
seit ich um das tägliche Brot sorgen
muss, dazu werde ich oft bedroht,
und es tröstet mich kein roter Mund.
Über die ich

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