Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
früher gebot,
die lassen mich allein.
Wohin ich schau, behindern mich
die Reste kostbarer Zierde.
Statt feinen Umgangs sehe ich
nur Kälber, Geißen, Böck’ und Rinder
und plumpe Leute, schwarz und
hässlich, im Winter ganz verrotzt, die
muntern auf wie schlechter Wein
das Vieh.
…
So trage ich meine schwere Last,
tägliche Sorgen, böse Nachrichten,
bleiben in Hauenstein selten aus.
Oswald Kl. 44, Übersetzung nach Kühn,
an das Original stärker angeglichen.
Zu einer Burganlage gehören außerdem einige bedeutsame Landschaftselemente. Ein Kräuter- und Rosengarten befindet sich in der Regel innerhalb der Burg. Davor liegt zumeist ein (Obst-) Baumgarten, in dem zur schönen Jahreszeit auch gesellschaftliches Leben herrscht, vom persönlichen Stelldichein bis zum großen Fest. Den Flurnamen Baumgarten, der auf diese ehemaligen Obstgärten verweist, findet man bei vielen Burgstellen. Was die Dichter nicht erwähnen, weil es zu banal, wenn auch zur Grundversorgung unverzichtbar war, ist ein Krautgarten. Kraut (Kohl) kommt, wie erwähnt, unter den Abgaben kaum vor, weil alle es gewissermaßen vor der Tür hatten.
Ebenfalls vor der Burg liegt gewöhnlich ein größeres freies Feld, nicht selten «Heide» genannt, wenn möglich mit einem Brunnen bzw. einer Quelle und einem Schatten spendenden solitären Baum, z.B. einer Linde. Dort kann nicht nur das berühmte Stelldichein Walthers von der Vogelweide stattfinden (L 29, 11,
Under der linden an der heide, da unser zweier bette was
…), sondern auch größere Versammlungen, Feste, Turniere und Gerichtssitzungen. Manchmal spielt die Zugbrücke eine Rolle für den Auftritt eines Burgherrn, der dort sozusagen zwischen «drinnen» und «draußen» steht.
Auf diesem Freigelände breiten auch wandernde Händler ihre Waren aus. Dort kann sich eine Burgsiedlung bilden, die sich unter Umständen bis zur Stadt auswächst (vgl. S. 163). Manche Dichter spielen mit den Worten «Burg» und «Bürger» auch auf diese Weise: Der Held wird zuerst von den «Bürgern» empfangen und dann zur «Burg» geleitet, wobei man meist nicht erfährt, was früher da gewesen ist: die Henne oder das Ei, die Siedlung oder die Burg.
Abb. 7: Les très riches heures du Duc de Berry, fol. 3 v, Chateau de Lusignan: Man sieht deutlich die Abstufungen der geordneten Kulturlandschaft Vor der Burg: im Vordergrund Acker- und Weinbau, dahinter die Weide, vor der Mauer die freie Fläche und hinter der ersten Mauer der Baumgarten. Darüber spannt sich im Kalenderteil stilisiert das Universum.
Versorgung, Abgaben und Dienste
Wenn eine Burg weiter entfernt von Siedlungen steht, wird man meist unweit von ihr einen Meierhof finden, der zur Grundversorgung der Inwohner diente und häufig auch Naturalabgaben der umliegenden Bauern aufnahm. Andernfalls wurden die Abgaben zuerst in den Dörfern auf einem vom Herrn dazu bestimmten Hof gesammelt, dessen Inhaber einen höheren Status als die anderen innehatte. Manche Naturalabgaben, die nicht so sehr saisonabhängig waren, wie z.B. Eier oder Geflügel, waren zwar zu einembestimmten Termin fällig, wurden aber nicht auf einmal, sondern je nach Bedarf abgerufen. Insgesamt beliefen sich die Abgaben auf etwa 50 % des Ertrages, was gar nicht so weit entfernt ist von modernen Steuersätzen.
Die Bauern hatten zusätzlich persönliche Dienste zu leisten: Im Vordergrund stand die «Robot», der Frondienst (mhd.
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was den Herrn betrifft), bei den landwirtschaftlichen Tätigkeiten am Herrenhof. Daneben gab es einige Spezialisten: Die einen stellten Schindeln her, die anderen brannten Kalk. Viele hatten Tiere der Herren einzustellen und zu füttern, auch Fuhrdienste waren gefragt. Etliche wurden außerdem zum «Burgwerk» herangezogen, Arbeiten zu Bau und Erhaltung einer Burg. Im 13. Jahrhundert wurden nach und nach die Naturalabgaben in Geld abgelöst; mittlerweile gab es auch nördlich der Alpen schon genug Märkte, auf denen die Bauern ihre Produkte zu Geld machen konnten.
Schließlich gehört zu einem Aufenthaltsort des Adels in nicht allzu großer Entfernung ein Jagdgebiet. Diese Wälder und Fluren waren besonders geschützt vor anderer Nutzung. Manchmal wurden eigene Wildgehege angelegt. Es gab, wie man auch archäologisch feststellen konnte, regelrechte Jagdschlösser. Die Jagd war eher ein prestigeträchtiges Vergnügen als ein Nahrungserwerb und bescherte den herrschaftlichen Jägern höchstens das eine oder andere Festmahl. Besonders vornehm war die Beizjagd
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