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Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
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sozusagen die Grundausbildung) – und das «Quadrivium» (Vierweg), bestehend aus Arithmetik, (praktischer) Geometrie, Musik und Astronomie. Erst wenn man diese Fächer absolviert hatte, konnte man ein höheres Studium wie Theologie, Rechtswissenschaften oder Medizin angehen.
Die Räume
    Kirchen und Klosterbauten geben uns – wie die Burgen – das Gefühl, der mittelalterlichen Kultur ganz nahe zu kommen. Aber auch an diesen Gebäuden ist, wie bei den Burgen schon angedeutet, die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Sie wurden immer wieder umgebaut, ihre Ausstattung wurde stark verändert, einzelne Bauelemente wurden neu interpretiert und neuen Funktionen zugeführt. Am stärksten umdenken müssen wir heute, wie bei den weltlichen Bauten, bei der Innenausstattung. Da gilt es, die Denkmäler neu lesen zu lernen.
Innenräume
    Es gab, wie in orthodoxen Kirchen heute noch, seit der Spätromanik eine Trennung zwischen der Gemeinde im Kirchenschiff und den Geistlichen im Chor. Diese Trennung wurde oft durch ein prächtiges Architekturelement markiert, den Lettner, wie er z.B. im Naumburger Dom aus der Mitte des 13. Jahrhunderts noch wunderschön erhalten ist. Die Figuren innerhalb des Altarraumes lächeln verzückt, weil sie im Allerheiligsten stehen.
    Vor dem Lettner stand in der Regel in der Mitte ein Laienaltar. Er war oft dem Kreuz geweiht (Kreuzaltar), daher bezieht sich der Figurenschmuck auf dem Lettner, der manchmal noch erhalten ist, häufig auf die Passion. Rechts und links davon führten Torbögen in den Chorbereich, durch die Geistliche feierlich aus- und einziehen konnten, darüber gab es eine Brüstung, von der aus gepredigt werden konnte. Erst mit der Barockisierung im 17. Jahrhundert wurden die meisten Lettner entfernt, einige aber fielen schon vorher.
    Das zweite Ausstattungselement, das im Laufe der Zeit stark verändert wurde, ist die Bemalung. Sie wurde, je nach den Moden und dem jeweiligen Zustand, schon im Mittelalter mehrmals verändert. In der Romantik des 19. Jahrhunderts wurde die malerische Ausgestaltung des Mittelalters vielfach entfernt; an manchen Orten wurde aber auch eine neue Bemalung angebracht. Es ist oft nicht leicht, sich heute eine gotische Kirche völlig bunt vorzustellen. Sie würde vermutlich in unseren Augen fast kitschig anmuten. Die Statuen waren ebenfalls bemalt – wie die antiken übrigens auch. Adalbert Stifter († 1868) hat z.B. die Statuen des Kefermarkter Altars im oberösterreichischen Mühlviertel (spätes 15. Jh.) zwar gerettet, aber deren damals noch vorhandene Fassung wegnehmen lassen.
    Die Figuren waren zumeist mit textilem Beiwerk, z.B. Baldachinen, geschmückt. Bei manchen Statuen sind diese Textilien auch in Stein nachgebildet. Die textile Ausgestaltung ging aber noch vielweiter; sie ist nur mehr in mittelalterlichen Abbildungen zu sehen. Mit Wandbehängen und Vorhängen konnte man den Kirchenraum dem jeweiligen liturgischen Anlass anpassen. Im Gegensatz zu heutigen Kirchen gab es keine Bänke. Das Publikum stand oder kniete, nur die Geistlichen hatten ihr Gestühl, und ganz wenige Privilegierte durften Faltstühle verwenden. Sitzen zu dürfen, während andere standen, war ein Vorrecht, das nur wenige genossen.
    Abb. 13: Naumburg an der Saale. Westlettner (13. Jh.)
    Eine davon war die Äbtissin vom Salzburger Nonnberg-Kloster, der bei offiziellen Anlässen, z.B. Prozessionen, ein solches «Faldistorium» nachgetragen wurde, das heute noch erhalten ist (Abb. 14). Die erhaltenen Stücke waren aus kostbarem Material, weil sie ja als Herrschaftszeichen galten.
Sinn(en)-Räume
    Menschen konnten in einer Kirche zugleich mehrere sinnliche «Räume» wahrnehmen, nicht bloß das architektonische Ambiente. Es beginnt zunächst einmal mit einem «Erwartungsraum», der bei jeder Person und bei jedem Anlass verschieden war und sich danach richtete, was sich gerade im Fokus der Aufmerksamkeit befand:etwa eine Person, ein Altar, ein Bild. Dazu kam die zu erwartende Liturgie.
    Abb. 14: Nonnberger Faldistorium, Jh., mit Ergänzungen aus dem 13 Jh., Neumontage 15. Jh.
    Der Blick wurde durch eine Lichtregie gelenkt, die in der heutigen Gestalt der Räume nur mehr schwer nachvollziehbar ist: nicht nur, weil die alten Fenster vielfach fehlen oder umgestaltet wurden, sondern auch, weil die moderne Beleuchtung den Raumeindruck verfälscht. Das Licht von Kerzen schuf mehr oder weniger gesonderte Teilbereiche und beließ andere im Dunkeln.
    Geht man mit einem Leuchter an einem

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