Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
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Bildmitte die heute noch erhaltene steinerne Brücke
Der rechtliche Status einer Stadt hing vor allem vom Stadtherrn ab. Die großen, traditionsreichen Städte beriefen sich auf ihre kaiserlichen Privilegien. Nördlich der Alpen waren die Stadtherren der älteren Städte mit römischer Tradition häufig Bischöfe. Seit dem Investiturstreit begannen sich die Bürger von ihnen zu emanzipieren. Einige der großen Städte stiegen auf zu freien Reichsstädten, aber es gab auch kleinere Territorialherren, die versuchten, durch Städtegründungen zu profitieren. Stadtrechte entwickelten sich, wurden aufgezeichnet und verliehen. Sie enthielten vor allem Bestimmungen über die innere Struktur und die Rechtsgewohnheiten; einen bedeutenden Teil nimmt in der Regel das Erbrecht ein. Einige vorbildliche Stadtrechte wie die von Köln, Lübeck oder Magdeburg wurden weitergegeben, so dass regelrechte Stadtrechtsfamilien entstanden.
Das dritte Element neben Mauern und Toren, das die mittelalterliche Silhouette einer Stadt bestimmt, sind die Türme: nicht nur die der Kirchen, auf welche die Bürger stolz waren und für die sie viel Geld und Mühe aufwandten, sondern auch, wie in Regensburg oder einigen italienischen Städten heute noch sichtbar, die steinernenWohntürme der großen Familien. Viele andere Häuser waren aus Holz, entweder in Blockbauweise oder im Fachwerkbau.
Flüsse und Umland
Ein Fluss als Verkehrsweg, vor allem für den Transport schwerer Lasten, war für die Lage vieler Städte von Bedeutung; wichtig war, dass man gut anlanden oder Brücken bauen konnte. Die Regensburger steinerne Brücke aus der Mitte des 12. Jahrhunderts ist die älteste mittelalterliche Brücke, die noch in Funktion ist. Der Kern von Paris war die Île de la Cité, eine Insel in der Seine, Köln wurde an einem Nebenarm des Rheins gegründet. Im Wiener Becken fächerte sich die Donau derart auf, dass man sie leicht überqueren konnte. Jenen Arm, an dem die Stadt lag – heute der «Donaukanal» –, musste man schon im Mittelalter künstlich schiffbar halten. Nicht vergessen sollte man die Bedeutung der Wasserkraft für Mühlen, (Loden-)Stampfen und die Entsorgung. Auch viele Brauereien lagen nicht weit vom Fluss, denn sie brauchten Feuerholz, Wasser und Getreide.
Außerhalb der Stadt, vielfach entlang der Ausfallstraßen, lagen die Vororte, deren Gärten die Nahversorgung sicherten und wo Handwerker tätig waren, deren Gewerbe weniger gern in der Stadt gesehen wurde, wie Abdecker und Gerber. Wie vor der Burg gab es in der Regel auch vor der Stadt ein freies Gelände. Dort fanden größere Ereignisse, Märkte und Messen statt. Auswärtige Händler breiteten ihre Waren aus, bei Hof- und Reichstagen entstanden ganze Stadtteile aus Zelten und Hütten, auch Turniere wurden veranstaltet.
Der «ökologische Fußabdruck»
Der «ökologische Fußabdruck» (Rees) einer Stadt reichte ziemlich weit. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln musste organisiert werden. Fleischtiere wurden oft von weit her angetrieben. ImNahbereich der Städte musste es für dieses Vieh Weideflächen geben; dort deckten sich die städtischen Fleischer ein.
Man hielt bis ins späte Mittelalter Hühner und Schweine in der Stadt. Ihre Haltung war billig, weil sie zum Teil von Nahrungsmittelabfällen und dem Abfall der Mühlen lebten. Ihr Unrat ergab aber eine erhebliche Umweltbeeinträchtigung. Die Transporttiere waren zwar meist in der Vorstadt untergebracht, hinterließen aber auch einigen Mist in der Stadt.
Bis in moderne Zeiten war die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ein Problem. Die Brunnen waren lange Zeit meist mit Holz abgeteuft (ausgekleidet). Die Hausbrunnen verschmutzten, weil sie oft in der Nähe der Senkgruben lagen, was immer wieder zu Epidemien führte. Ab dem 13. Jahrhundert legte man zunehmend aus Stein gemauerte Stadtbrunnen an. Einige schöne Exemplare sind ab dem 14. Jahrhundert erhalten. Eine wirkliche Lösung wurde erst in der Moderne mit den Fernwasserleitungen gefunden.
Für die Grundnahrungsmittel brauchte man in nächster Nähe geeignete Anbauflächen. Getreide konnte man am besten auf dem Fluss transportieren, sogar flussaufwärts, wie am unteren Rhein. In der Spätantike, so wird in der Lebensbeschreibung des heiligen Severin († 482) von Eugippius erzählt (c. 3), brach eine Hungersnot in einigen Donaustädten aus, weil der Inn zugefroren war und daher kein Getreide per Schiff geliefert werden konnte. Von Kornspeichern, meist nahe am
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