Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
Zeit der Verfestigung der Gemeinschaft, brachte aber einen schwerwiegenden sozialen Konflikt mit sich: Was sollte mit jenen Menschen geschehen, die aus Furcht abgeschworen hatten? Die einen lehnten sie als «Verräter» grundsätzlich ab, die anderen suchten Wege der Versöhnung. Auf dieser Seite stand der Kirchenvater Augustinus († 430), und seine Meinung wurde zur offiziellen Kirchenlehre. In der Auseinandersetzung mit einer Sondergruppe in Nordafrika,den sogenannten Donatisten, die den Abgefallenen gegenüber unversöhnlich blieben, verwendet Augustinus zum ersten Mal den Begriff «katholisch» (allgemein) für die Christenheit. Von beiden Streitparteien wurde wechselweise der kaiserliche Hof angerufen.
Die Franken übernahmen von den Römern die Tradition der politischen Mission, wenn nötig mit militärischem Nachdruck. Die Vermischung religiöser und politischer Aspekte charakterisierte die Missionsbemühungen auch weiterhin immer wieder. Seit der Karolingerzeit wurde sogar innerhalb der Kirche Kritik daran laut. Nur in Irland zog das Christentum ohne politischen oder militärischen Druck ein. Daher blieben dort viele vorchristliche Kulturelemente erhalten.
Der Trennung zwischen Byzanz und Rom entsprachen unterschiedliche Kulturen in der griechischen und lateinischen Mission. Die Griechen respektierten stärker die jeweilige Volkssprache. Konstantin, der als Mönch den Namen Kyrill angenommen hatte († 869), entwickelte für die Slawen ein eigenes Alphabet: die glagolitische Schrift, die zu einer Vorläuferin der «kyrillischen» Schrift wurde.
Juden
In vielen Kirchen steht eine Frauengestalt mit verbundenen Augen, die Synagoge symbolisierend, neben der Statue der triumphierenden Kirche. Man stellte dem Zeitalter des (mosaischen) Gesetzes das Zeitalter der Gnade gegenüber. Ausgerechnet das Verständnis ihrer Bibel trennt Juden und Christen: Denn das «Alte Testament» wird im Christentum vor allem als Vorhersage des «Neuen Bundes» gedeutet, schon in der lateinischen Übersetzung durch Hieronymus, die er am Ende des 4. Jahrhunderts angefertigt hatte und die als sogenannte Vulgata (für: allgemein verbreitet) im Mittelalter verbindlich wurde.
Dadurch wurde es für mittelalterliche Theologen noch schwerer, nachzuvollziehen, warum die Juden dem längst angekündigtenMessias nicht folgten, sondern ihn sogar von den Römern töten ließen. Juden wurden beschuldigt, aus ihren Schriften die Erinnerungen an Jesus absichtlich getilgt zu haben. Die Details aus den Gesetzesbüchern waren den meisten Christen unbekannt, die Bräuche der Juden weitgehend unverständlich. Die Beschneidung galt als durch die Taufe ersetzt. Die Speisegebote werden in den Evangelien (Mt 15, 11) ausdrücklich abgelehnt.
Den antijudaischen Aussagen steht indes die Prophezeiung des Römerbriefes (11, 25–27) gegenüber, dass am Ende der Zeiten ganz Israel gerettet würde. Augustinus zieht Psalm 59, 12 («töte sie nicht …») heran, weil die Juden ja Zeugen des Alten Bundes seien, und erinnert an das Tötungsverbot gegenüber Kain (Gen 4, 15). Eine autoritative Aussage Papst Gregors des Großen (590–604) hielt viele Kirchenfürsten in Schach: Mit Gewalt taufen dürfe man die Juden wegen der Aussage des Apostels Paulus im Römerbrief nicht. Derselbe Papst sprach sich auch gegen die Zerstörung eines jüdischen Bethauses aus. Selbst Bernhard von Clairvaux hat diesen Gedanken aufgegriffen: Er nahm scharf gegen die Judenverfolgungen im Zusammenhang mit den Kreuzzügen Stellung.
Von theologischer und offizieller kirchlicher Seite gab es also keine Rechtfertigung für Judenverfolgungen. Das muss man sich vor Augen halten, um die Wurzeln dieses furchtbaren Übels anderswo zu suchen (S. 156).
Muslime
Nur sehr wenige Gelehrte bemühten sich, die Religion des Islam nachzuvollziehen oder gar zu verstehen. So hat sich z.B. der bedeutende Abt Petrus von Cluny († 1156) den Koran übersetzen lassen und ein Buch über Mohammed geschrieben, das er auch Bernhard von Clairvaux schickte. Ansonsten herrschten geradezu absurde Vorstellungen vom Islam als klischeehaftem Heidentum, dem man Idole und den Glauben an antike Götter nachsagte. Auch Mohammed tritt als einer der «Götter» auf. Das ist umso erstaunlicher,als man mit den «Arabern» ja nicht nur kämpfte, sondern auch regen Handel betrieb. Der islamischen Adelskultur begegneten indes viele durchaus mit Respekt.
Neuerer, «Häretiker» und «Ketzer»
Im Wesentlichen muss man drei
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