Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
hatten und bis 160 m zuverlässig trafen. Die Schützen konnten 10–12 Pfeile in der Minute abschießen. Mit der viel schwerer zu handhabenden Armbrust konnten nur zwei Bolzen in der Minute abgeschossen werden. Sie war zu defensiven Zwecken von der Stadt- oder Burgmauer aus gut zu gebrauchen. Übrigens gab es ihretwegen die ersten «Abrüstungsverhandlungen»: Schon 1139 wurde ihr Einsatz verboten, selbstverständlich vergeblich.
Es gab schon im 14. Jahrhundert die erste «Kanone» mit dem schönen Namen «Rimbaud» oder «Pot de fer». Mehr als fürchterlichen Krach brachten sie aber nicht zustande, Steinwände widerstanden ihnen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts weitgehend unbeschadet. Im selben Jahrhundert ersetzte allmählich der Plattenpanzer das Kettenhemd: In der Theorie – und im Turnier – ein Fortschritt zum Schutz gegenüber Pfeilen und Bolzen, im Ernstfall aber eine Katastrophe. Wenn der Träger mit dem teuren Panzer auf den Rücken fiel, war er hilflos wie ein Käfer.
Die Zukunft gehörte den zu Fuß kämpfenden Söldnern mit ihren Spießen und Armbrüsten, bis die Feuerwaffen effektiv einsetzbar wurden. Aber die Söldner musste man sich leisten können, und wenn man sie entließ, konnte es geschehen, dass sie ihren weiteren Unterhalt durch Raub und Mord bestritten.
Der Kampf in nahezu jeder Form wurde als Element des adeligen Selbstverständnisses ideologisch verbrämt, aber auch gewinnbringend ausgenutzt. Daraus ergab sich eine Art Zirkel: Die Angst vor ständig kampfbereiten Adeligen war durchaus real. Als einziges Mittel zur Friedenssicherung bot sich wiederum ein kampfbereiter Adel an, der dadurch scheinbar eine wichtige soziale Funktion erhielt.
Opfer
Eine Frau betet um 1200
, daz ich iemir giscendet werde, von deheime irdischin menischin, und mir des gunnist, mit dinir gnade, daz ich dise welt virwandelon muoze, ungischendet, und min wiblichere an mir niemir ginideret werde:
dass ich nie geschändet werde, von keinem Menschen auf der Welt, und dass Du mir das gönnst in Deiner Gnade, dass ich in dieser Welt leben darf, ungeschändet, und meine weibliche Ehre an mir nie mehr gemindert werde. Es gab zwar die «Regel», dass eine Dame – von Frauen niederer Ränge ist ohnehin nie die Rede – niemals angegriffen werden dürfe, wenn sie allein sei. Ist sie in Begleitung, könne man sie durch einen Kampf ihrem Beschützer abgewinnen. Aber auch daran hielt sich wohl selten jemand, der nicht die Rache ihrer Verwandtschaft fürchtete. Nach einer Belagerung waren die Frauen in der Burg oder der Stadt Beute, nichts anderes, auch wenn das manche Zeitgenossen als skandalös empfanden. Dafür gibt es zahlreiche Belege, und zwar nicht nur im Nahen Osten bei Kreuzzügen, sondern mitten im christlichen Europa. Nur wenn man sie gegen hohes Lösegeld verkaufen konnte, kamen sie unter Umständen davon.
Im Landfrieden von 1224, der Vorbild für spätere wurde, war zu schwören: Geistliche, Frauen, Nonnen, Bauern, rechtmäßige Jäger, Fischer und Juden sollen an jedem Tag und zu jeder Zeit gesicherten Frieden haben an Leib und Gut. Kirchen, Friedhöfe, Pflugäcker, Mühlen und Dörfer in ihrer Umzäunung sollen denselben Frieden haben. [Ebenso] alle Straßen zu Lande und zu Wasser … Wer einen offenbaren Feind hat, darf ihn am Montag, Dienstag oder Mittwoch außerhalb der genannten Anlagen und Orte an seinem Leib, nicht aber an seinem Gut schädigen, doch so, dass er ihn nicht gefangen nimmt. Am Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag soll jedermann gesicherten Frieden haben.
Der berühmte Mainzer Landfrieden von 1235 wurde nicht nur lateinisch, sondern auch in der Volkssprache niedergeschrieben. Dort wird ausdrücklich befohlen, dass jemand vor einer Fehde sein Recht vor Gericht suche. Das setzte aber gerechte Richter voraus – und die waren keineswegs immer zu finden.
Möchten wir in einer Gesellschaft leben, in der man auf solche Landfrieden schwören musste? Oder in der ein ritterbürtiger Dichter Erfolg hatte, wenn er Folgendes von sich gab? Dante hatihn übrigens in die Hölle versetzt, unter jene, die Zwietracht stifteten (Inferno 28, 134).
Be∙m platz lo gais temps de pascor,
que fai fuolhas e flors venir;
e platz mi, quan auch blaudor
dels auzels, que fan retentir
lor chan per lo boschatge;
et platz mi, quan vei sobrels pratz
tendas e pavilhos fermatz;
et ai gran alegratge,
quan vei per chamanha renjatz
chevaliers e chavals armatz.
E platz mi, quan li corredor
fan las gens e l’aver
Weitere Kostenlose Bücher