Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
so dass man auf den Ritten hinaufsteigen musste und bei Bozen wieder ins Tal kam (vgl. S. 240). Es gibt übrigens viele Klagen über die Beschwerlichkeit der Reise, aber keine über Versorgungsprobleme. Allerdings musste man mit den Einheimischen am Weg immer wieder verhandeln. Die Adeligen im kleinen Ort Arco am oberen Ende des Gardasees, der nach Dante (Inferno 20, 62) Deutschland abriegelt, brachten es auf diese Art bis zur Grafenwürde. Die Herrscher hofierten sie, damit sie nicht den Weg versperrten.
War die Reise gut vorbereitet und waren die Zeiten günstig – was selten genug vorkam –, war der künftige Kaiser willkommen und hohe Summen wurden eingenommen durch Abgaben und an Gebühren für Privilegien. Andernfalls wurde es blutig, wenn man entweder in die Auseinandersetzungen italischer Interessengruppenhineingezogen wurde oder die Reichshoheit, der
honor imperii,
wiederhergestellt werden musste. Belagerungen waren eine zweischneidige Sache, denn nicht selten litten nicht nur die Leute in den Burgen oder Städten, sondern auch das Heer der Belagerer unter Hunger, weil sie recht rasch die ganze Gegend kahl gegessen hatten. Musste man in den Süden ziehen, kam noch eine andere Gefahr hinzu: die Malaria.
Soweit man dies beurteilen kann, ist der Kulturaustausch bei solchen Fahrten gering. Handel, regelmäßige Reisen, z.B. an die Kurie, und Pilgerschaft brachten weit mehr. Die Ritter aus dem Norden bestätigten die Vorurteile gegen sie: Sie konnten mit dem südlichen Wein nicht umgehen und waren hinter jedem Rock her. Die stereotypen Vorwürfe blieben über Jahrhunderte gleich.
Kreuzzüge
Ähnliches haben Forschungen zu den Kreuzzügen ergeben. Der Import von Luxusgütern, mit dem die Seestädte wie Venedig und Genua und der Templerorden enorme Gewinne machten, wurde manchmal durch Eroberungen während der Kreuzzüge unterstützt.
Man verbreitete über den Islam die absurdesten Geschichten von Götzendienst und Vielgötterei, obwohl einzelne Gelehrte besser Bescheid wussten, wie z.B. Otto von Freising (Chronik VII 8). Man sah andererseits in den Strukturen der islamischen Oberschicht – wohl nicht ganz zu Unrecht – zahlreiche Parallelen zum europäischen Feudalismus. Es suchten zwar, wie erzählt wird, nach der Schlacht die Kämpfer beider Seiten Hilfe bei islamischen Ärzten, aber der Einfluss dieser Medizin, die noch auf antike Kenntnisse zurückging, kam über Süditalien und das islamische Spanien nach Europa. In Spanien zerstörte dann die christliche Reconquista (Rückeroberung) die letzten bedeutenden Reste der antiken Kulturen.
Dass niemand von den Kriegern die hochentwickelte Bewässerungs- und Gartenbaukultur beachtete, ist nachzuvollziehen. Es sind kaum Kulturpflanzen durch die Kreuzzüge nach Europa gekommen, sie gingen ebenfalls andere Wege.
Am ehesten wurde noch der Austausch zwischen den dominierenden westeuropäischen Adeligen und denen aus Mitteleuropa gefördert. Dabei scheint sich ein gewisses Interesse an antiken Stoffen und Themen entwickelt zu haben, wie möglicherweise die erwähnten Wandbilder zu Winkl (S. 94) zeigen.
Es mag sein, dass sich auch das Interesse an Philosophie und Geisteswelt der griechischen Antike durch die Kreuzzüge und das lateinische Kaiserreich in Byzanz von 1204–1261 verstärkt hat. Zumindest die Griechischkenntnisse müssten besser geworden sein. Aber, wie schon erwähnt (S. 125), führte der Hauptweg zur Anregung der Scholastik ebenfalls über das islamische Spanien.
Noch weitere Kriege wurden «Kreuzzüge» genannt: zum einen die Wiedereroberung Spaniens, die Reconquista, deren Verlauf keineswegs dem heroischen Bild entsprach, das man nachträglich davon malte, und deren Held Rodrigo Diaz, verherrlicht als El Cid, eine ziemlich zwielichtige Figur war. In diese Reihe gehören auch der schon erwähnte Albigenser-Kreuzzug (S. 146), der mit beispielloser Grausamkeit geführt wurde, und ein «Kreuzzug» gegen die Stedinger Friesen 1234, vor dem sich der Erzbischof von Hamburg-Bremen die päpstliche Erlaubnis geholt hatte, einen Aufstand der freien Bauern und Adeligen grausam niederzuschlagen, und schließlich der weitgehend erfolglose Kreuzzug gegen die Elbslawen (Wenden) unter dem Welfen Heinrich dem Löwen 1147.
Ab dem 13. Jahrhundert konnte man «Preußenfahrten», auch «Litauerreisen», unternehmen. Die bekannteste davon ist jene von Ottokar II. Přemysl 1255, die zur Gründung von Burg und Stadt Königsberg führte. Im 14. Jahrhundert
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