Kleine Luegen erhalten die Liebe
Nein, nein, genauso muss es sein.
Dann hielt sie sich schnell eine Standpauke. Sie waren Freunde, nicht mehr als das. Frasers Verhalten nach seinem Anruf aus Soho hatte das deutlich genug gemacht. Erst hatte sie vierzehn Tage nichts von Fraser gehört; und als er sich endlich meldete, war so ungefähr das Erste, was er sagte: »Wie ist das denn nun mit der Aufgabe, mit einem exotischen Fremden zu schlafen …? Will Emilia wirklich ein Date mit mir? Hast du schon mit ihr gesprochen?«
Ja, Emilia wollte unbedingt ein Date mit ihm – sie hörte ja gar nicht mehr auf, von Fraser zu reden. »Ich liebe britischeMänner!«, schwärmte sie. »Sie sind der eigentliche Grund, warum ich Rio verlassen habe!« Natürlich auch, um ihr Englisch zu verbessern.
Aber nein, hatte Mia Fraser geantwortet, sie hatte noch nicht mit Emilia darüber gesprochen.
Jetzt setzte sie Billy in seinen Sportwagen und schnallte ihn an. »Sollen wir Onkel Fraser suchen? Er wird heute auf dich aufpassen – bist du nicht ein Glückspilz, Billy?«
Dann schob sie ihn auf den mit Schneematsch bedeckten Bahnsteig hinaus, während die Fahrgäste schon den Zug verließen und ihr Atem weiße Wölkchen in der eisigen Luft bildete. Und dann sah sie ihn, zum ersten Mal seit ihrer Rettungsfahrt zum Lake Distrikt.
Er sah gesünder aus und trug den Parka, den Liv ihm geschenkt hatte – und ein so breites Lächeln im Gesicht, dass Mia plötzlich schrecklich aufgeregt war und nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte.
»Gott, wie kalt es hier im Norden ist!«
Plötzlich stand er vor ihr, die Hände unter ihren Armen, und tänzelte von einem Fuß auf den anderen.
»Ja, mindestens fünf Grad kälter als in London. Ich weiß es, denn ich lebe hier. Aber du bist doch selbst aus dem Norden, also mach nicht so ein Getue wegen …« Weiter kam sie jedoch nicht, weil er sie in die Arme nahm und sie sehr, sehr lange festhielt.
Mia schloss die Augen und drückte ihr Gesicht in seinen Parka. »Okay, Fraser«, sagte sie dann, »ich glaube, ich muss jetzt wieder atmen. Hast du das Rauchen aufgegeben? Du riechst sehr frisch.«
»Das Rauchen hat mich aufgegeben, fürchte ich. Es war meine Flatterhaftigkeit wohl leid«, antwortete Fraser, und Mia verdrehte die Augen über diesen weiteren von Frasers dummenScherzen. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie nichts, aber auch gar nichts gegen das Lächeln tun konnte, das ihr Gesicht erstrahlen ließ.
Er hockte sich vor Billy auf den Boden, und sie sah den Schnee in seinem Haar und dem Pelz an seiner Kapuze. »Hallo, Billy! Warst du auch schon lieb zu deiner Mum an ihrem Geburtstag? Hast du ihr etwas Schönes geschenkt? Eine Pflanze oder ein Potpourri? Sie liebt Duftmischungen, deine Mum, und das ist gut, weil Onkel Frase ihr nämlich eine mitgebracht hat. Einen lebenslangen Vorrat feinsten Orangenschalen-Potpourris.« Dann flüsterte er ihm ins Ohr: »Sie wird geradezu ekstatisch sein vor Freude.«
»Du liebe Güte, Fraser, halt den Mund!« Mia lachte.
Fraser stand auf. »Alles Gute zum Geburtstag!«, sagte er grinsend, und jetzt nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie auf die Lippen, nur einmal, aber fest. Ein verlegenes Schweigen entstand danach. Es waren Dinge zur Sprache gekommen, als er in jener Nacht aus Soho angerufen hatte, die Fraser noch nie zuvor gesagt hatte, nicht einmal, wenn er betrunken gewesen war.
»Dann ist das für mich?«, wechselte Mia schnell das Thema und zeigte auf den großen Karton zu Frasers Füßen. »Ich habe dir doch gesagt, keine Geschenke, Fraser, nur Spenden an meine persönliche wohltätige Einrichtung: ›Junge Mütter am Rande der Verzweiflung.‹«
»Eigentlich ist es von Norm«, erklärte Fraser.
»Wirklich?«
»Ja. Ich soll dir ausrichten, dass es ihm leidtut, dass er dich an deinem Geburtstag nicht sehen wird, doch er ist sehr beschäftigt mit dem nächsten Punkt auf der Liste. Zur Abwechslung. Komm her …« Fraser zog sie in die Wärme des Wartesaals, stellte den weißen Karton auf eine Bank und nahm denDeckel ab. Mia machte große Augen, als sie die mit Zuckerglasur überzogene Geburtstagstorte sah. Für Mia , stand in blauen Buchstaben darauf. Von Liv und allen anderen.
Ohne jede Vorwarnung brach Mia in Tränen aus.
»Mia!«, sagte Fraser erschrocken. »Die Torte soll dich erfreuen, aber doch nicht zum Weinen bringen!«
»Ich freue mich ja auch! Ich bin wirklich sehr, sehr froh und glücklich. Und die Torte ist ein Viktoria-Biskuit!« Sie sah
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