Kleine Luegen erhalten die Liebe
du das?«
»Ich meine, sieh dich doch mal an, Fraser! Du bist in denkbar schlechter Verfassung, du bist betrunken, und du hast weder dein Leben noch dein Handeln unter Kontrolle. Mia hat ein Baby und einen Freund – also ruf sie nicht an, um ihr zu sagen, dass du sie liebst. Misch dich nicht in ihr Leben ein, solange dein eigenes noch so chaotisch ist!«
Fraser senkt den Blick. Verdammt. War es wirklich derart offensichtlich?
»Sieh zu, dass du mit dir ins Reine kommst! Mehr sage ich nicht. Nimm dein Leben in die Hand und bring es in Ordnung, bevor du dich in das eines anderen einmischst!«
Fraser blickt zu ihr auf. »Okay, Karen.«
»Gut«, meint sie. »Auf Wiedersehen, Fraser.«
»Bis dann, Karen.«
»Wir sehen uns.«
Und dann wendet sie sich ab und geht. Fraser öffnet sein SMS-Verzeichnis.
Er hat die Nachricht noch nicht abgeschickt. Zum Glück ist er nicht so weit gekommen. »Gott sei Dank!«, murmelt er erleichtert und drückt das Telefon an seine Brust.
KAPITEL ZWANZIG
Dezember,
Lancaster
Es war der neunzehnte Dezember 2008, eine Woche vor Weihnachten, und zum ersten Mal seit Langem ein »weißer« Geburtstag für Mia – ihr neunundzwanzigster. Schon am Morgen hatte sie sich auf dem Parkplatz ihres Apartmenthauses von Eduardo und allen Vorübergehenden, die dazu bereit waren, fotografieren lassen – zuerst sich selbst und dann mit Billy, oder Billy, sie und Eduardo, mal mit Schneemann, mal ohne Schneemann, nur um dieses erstaunliche Ereignis festzuhalten.
»Sieh nur, Billy! Mummy hat einen weißen Geburtstag!«
Billy schien die Bedeutsamkeit des Ganzen zu verstehen, jedenfalls kreischte er vor Vergnügen, formte mit seinen kleinen, in Fäustlingen steckenden Händen dicke Bälle aus dem weißen Pulver und warf sie nach seinem Dad, der das gar nicht lustig fand. Denn Eduardo mochte keinen Schnee. Er war »kalt und nass«, wie er sagte, und sorgte für viel Schmutz auf dem Boden des Restaurants, in dem er arbeitete.
Es stimmte, dass der Dezemberanfang Schneefälle von Rekordniveau mitgebracht hatte, zumindest in Lancashire, und es hörte auch nicht auf zu schneien. Schulen schlossen, Wasserrohre froren zu, und auf den Straßen herrschte das absolute Chaos. Jeden Abend brachten die Nachrichten nur düstere Berichte über Auffahrunfälle auf der Autobahn, Kinder, die durch zu dünnes Eis in Seen eingebrochen waren, und Rentner, die kaum noch den Schnee vor ihren Türen wegschaufeln konnten. Aber die City von Lancaster war schön, still undweiß; der River Lune war eine gefrorene braune Platte wie alte Schokolade. Nur wenige Autos waren unterwegs, und seit Tagen, wenn Mia Billy über den knirschenden Schnee unter ihren Stiefeln durch die geradezu unheimlich leisen Straßen schob, kam sie sich wie in einem dieser Arthaus-Filme von skandinavischen Regisseuren vor, in denen Menschen stundenlang durch den Schnee marschieren, sonst jedoch so gut wie nichts geschieht.
Der bisher kälteste Dezember in der Geschichte! , verkündeten alle Zeitungen. Das große Frieren geht weiter, und es wird noch mehr Schnee geben!
Den Lancaster Guardian in den Händen, saß Mia im Wartesaal des Bahnhofs und überflog die apokalyptischen Schlagzeilen, während Billy immer wieder nach der Zeitung griff, sie laut raschelnd zerknüllte und ihr ins Gesicht warf. Mia schaffte es, sie ihm wieder abzunehmen, wobei diesmal jedoch mehrere Seiten zerrissen und der Rest der Wartenden sich umdrehte, um sie anzustarren. Schließlich gab sie es auf und überließ die Zeitung Billy, der sie mit einem triumphierenden Lächeln prompt zerfetzte, während Mia nervös die Ankunftstafeln beobachtete. Frasers Zug aus London hatte bereits Verspätung, und sie befürchtete, dass die nächste Ansage entfällt lauten würde.
Bitte lass den Zug nicht ausfallen!, flehte sie stumm.
Ihr Geburtstagsplan war folgender: Fraser würde mit ihr zum Lunch ins Sunbury Café gehen, und danach würde er auf Billy aufpassen, während sie zum Friseur ging und sich von dem Scheck, den ihre Mutter ihr zum Geburtstag geschickt hatte, etwas zum Anziehen kaufte. Schließlich konnte sie nun wirklich nicht in ihren ausgeleierten Leggings in eins der romantischsten Restaurants Lancasters gehen! Denn dorthin würde sie mit Eduardo zum Dinner gehen. Melody würde derweil auf Billy aufpassen und Fraser , der junge Fraser Morgan, den Abend mit Mrs. Durham verbringen, weil er noch eine sehr spezielle Aufgabe von der Liste zu erfüllen hatte:
Alle sieben
Weitere Kostenlose Bücher